Eine große Überraschung mit bundesweiter Bedeutung gab es bei der niedersächsischen Landtagswahl: Die Linke ist nicht nur in das Parlament des Flächenlandes eingezogen, sondern hat dabei auch ihre eigenen prozentualen Erwartungen übertroffen.
7,1 Prozent aller (Zweit-)Stimmen, das entspricht 243.106 Wähler/innen, entfielen nach dem vorläufigen Endergebnis auf die Linke. In Wahlkreisen wie Hannover-Linden kam sie auf 13,3%, in Oldenburg Mitte/Süd auf 11,5% und in Wilhelmshaven gaben 11,3% der Wahlberechtigten ihre Stimme der Linken. (Braunschweig-West und Göttingen-Stadt je 10,4%, Delmenhorst 10,2 %)
Damit zieht die Partei mit 11 Politiker/innen in den neuen niedersächsischen Landtag ein. Darunter ist auf Platz 9 der Kandidatenliste die Kommunistin und Genossin der DKP Christel Wegner. In einer ersten Stellungnahme drückte der Parteivorstand der DKP seine Freude über die Wahl aus und wünschte der Landtagsfraktion „viel Erfolg bei ihrem Wirken für eine andere Politik“.
Die Meinungsforscher machten am Wahlabend für das überraschende Ergebnis nicht nur die Protesthaltung vieler Wähler/innen verantwortlich, sondern auch die Kompetenz der Linken bei den Themen Gerechtigkeit und Soziales. Genau diese Bereiche vermissten die Wähler/innen offenbar bei der SPD, so dass die Linke unter anderem von der Schwäche der Sozialdemokraten profitieren konnte. Aber auch aus dem bisherigen Nichtwähler/innenspektrum konnten die Sozialisten viele Menschen überzeugen und an die Wahlurne locken.
Dennoch war die Wahlbeteiligung niedriger als bei dem bisherigen Negativrekord anlässlich der Wahl zum 1. Niedersächsischen Landtag im Jahr 1947 von damals 65,1%. Lediglich 57,0% der über 6 Millionen wahlberechtigten Niedersachsen machten am Sonntag von ihrem Stimmrecht Gebrauch. Gegenüber der Landtagswahl 2003 ein weiterer Rückgang um 10%! Delmenhorst bildet mit einer Beteiligung von 49,5% (gegenüber 58,3% in 2003) das landesweite Schlusslicht.
Die CDU kann trotz Stimmenverlusten weiterhin mit der FDP die Regierung bilden und ihre bisherige Politik im Land fortsetzen. Ihr gegenüber steht die Opposition aus Grüne und Linke sowie der SPD, die mit 30,3% ihr schlechtestes Ergebnis der Nachkriegszeit erzielte. jt
Interview mit Christel in der UZ vom 2. November 2007
"Auch die Kommunisten
sind Teil der Linken"
Christel Wegner strebt Kandidatur
zum niedersächsichen Landtag an
UZ: Christel, du willst als in der DKP organisierte Kommunistin auf der Liste der Partei "Die Linke" zur niedersächsischen Landtagswahl kandidieren. Wenn deine Kandidatur erfolgreich wäre, würde das bedeuten, dass seit Jahrzehnten wieder eine Kommunistin in den niedersächsischen Landtag einziehen würde. Das ist eine große Verantwortung, die du auf dich nimmst.
Christel Wegner: Nach meiner Kenntnis saßen - nach dem KPD-Verbot von 1956 - die Genossen Landwehr und Scherpe bis 1959 im Niedersächsischen Landtag. Ich halte es für sinnvoll und politisch notwendig im öffentlichen Bewusstsein wieder die Tatsache klarzustellen, dass auch die Kommunisten ein Teil der Linken in diesem Land sind.
Wir haben festgestellt, dass unsere tagespolitischen Forderungen weitgehend mit dem Landeswahlprogramm der niedersächsischen Partei "Die Linke."übereinstimmen - wenn auch unsere programmatischen Zielstellungen darüber hinaus gehen. Der Beschluss des Bezirksvorstandes Niedersachsen, auf eine eigenständige Kandidatur zu verzichten und stattdessen "Die Linke" zu unterstützen, ergab dann auch die Möglichkeit zur Kandidatur eines DKP-Mitgliedes für deren Landesliste.
Für viele Menschen setzt es Zeichen, wenn durch meine Wahl für die Landesliste auch nach außen sichtbar würde, dass die Linken im Lande in der Lage sind, ihre Kräfte zu bündeln um gemeinsam im Niedersächsischen Landtag für Veränderungen der derzeitigen Politik zu kämpfen.
UZ: Du arbeitest im Gesundheitswesen und warst von Beginn an gewerkschaftlich organisiert. Du hast die Verschlechterungen dort also hautnah mitbekommen. Was wäre nach deiner Ansicht Inhalt eines "Sofortprogramms", um z. B. die Situation in den Krankenhäusern zu verbessern oder ein menschenwürdiges Leben im Alter zu gewährleisten?
Christel Wegner: Meiner Meinung nach gibt es kein "Sofortprogramm" - es sei denn, jemand erfindet den "Schalter", den man umlegt und der bei Politik und Industrie über Nacht ein Umdenken bewirken kann. Die sind doch bereit aus Steuergeldern bisher allein für die Auslandseinsätze der Bundeswehr 894 Millionen Euro zu investieren und müssen daher im sozialen Bereich entsprechend "sparen"!
Der "Wert" der Gesundheit und der "Wert" der alten, nicht mehr produktiv tätigen Menschen ist eine politische Entscheidung! Für notwendig halte ich aber: die Verhinderung weiterer Privatisierung von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen; Ausbildung und ausreichenden Einsatz von qualifiziertem Personal. Es gibt ja auf dem Papier Bemessungsgrundlagen für notwendigen Personalbedarf bei geleistetem Zeitaufwand für Pflegetätigkeiten. Aber wie menschenverachtend diese Bemessungsgrundlagen sind, zeigt doch, dass u. a. Gespräche mit Pflegebedürftigen nicht als Leistung gelten und damit auch nicht bezahlt werden
Ganz grundsätzlich halte ich es u. a. für notwendig wirksame Prävention zur Beseitigung und Verminderung krankmachender Faktoren in der Arbeits- und Lebenswelt vorzunehmen.
UZ: Für KommunistInnen endet das politische Leben nicht am Werkstor. Du hast dich sowohl in den 60er Jahren in den Ostermärschen engagiert als auch später in der Friedensbewegung. Du sagst immer, das habe dich folgerichtig in die DKP geführt. Das hört sich so einfach an. Worin bestand bei dir das "folgerichtig". Was war dein "Kick"?
Christel Wegner: Ich bin in einem kommunistischen Elternhaus aufgewachsen. Diese Erziehung und auch der erlebte solidarische Umgang zwischen den Menschen, die ich dort kennenlernte, prägte meinen Wunsch nach organisiertem politischen Engagement.
1968 wurde die DKP konstituiert und hatte die gleiche Zielsetzung wie ich: Sozialismus! In dem Jahr wurde ich volljährig und Mitglied der DKP.
UZ: Ein weiterer Schwerpunkt in deinem Leben war die Solidarität mit dem sandinistischen Nicaragua. Die geknüpften Kontakte hältst du nach wie vor aufrecht. Und auch das ist ja kein Selbstzweck; welche Bedeutung hat das für dich?
Christel Wegner: Als Kommunistin bist Du Internationalistin! Als die Sandinisten 1990 die Parlamentswahlen verloren hatten zogen sich viele internationale Brigaden zurück, und ein weiteres Engagement in Nicaragua war ja auch nicht unumstritten. Zunehmend unter der Regierung Aleman wurde versucht, auch auf die Bevölkerung Druck auszuüben, Solidaritätsprojekte, die nach sandinistischen oder kommunistischen Persönlichkeiten benannt worden waren, umzubenennen. Oder Projekte, die in der Selbstverwaltung der Bevölkerung waren, in staatliches Eigentum zu übernehmen. Wir haben immer - in Zusammenarbeit mit der FSLN - weitergemacht: um die FSLN zu unterstützen, um sichtbar zu machen, was Solidarität bewirken kann und auch um vor Ort darum zu kämpfen, dass durch die Umbenennung von Projekten, die zu Ehren kommunistischer Persönlichkeiten benannt wurden (wie z. B. die Berndt-Koberstein-Schule in Matagalpa), diese Menschen nicht einfach in Vergessenheit geraten.
UZ: Christel, wir konnten hier nur anreißen, was für dich Bedeutung hatte und hat. Deutlich geworden ist aber, dass du vielfältige Erfahrungen in deinem Leben gesammelt hast und noch sammelst. Was wäre nach deiner Meinung notwendig, was müssen wir tun, damit sich das Blatt wendet im Land: hin zu mehr Demokratie, gegen Sozialabbau, für Menschenrechte ?
Christel Wegner: Wir müssen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln und Kräften aufdecken, aufklären, Zusammenhänge aufzeigen, um mehr Menschen für die außerparlamentarische Bewegung zu aktivieren, um dadurch auch Druck auf das Parlament auszuüben.
Wir sollten uns nicht immer erzählen lassen, für Bildung und Kultur, für Soziales, für Gesundheitsvor- und -fürsorge, für die Sicherung der Lebensbedürfnisse der arbeitenden Menschen und deren Familien sei kein Geld da. Geld ist da, es ist nur die Frage, in wessen Interesse es wie verteilt wird. Da finde ich z. B. auch die "Geldschein-Aktion" der DKP Braunschweig Klasse. Die sagen, wo das Geld zu holen ist, das wir brauchen, um uns und unseren Familien ein menschenwürdiges Leben zu gewährleisten.
Energischer Widerstand ist notwendig gegen neofaschistische Umtriebe; wir unterstützen den Antrag auf Verbot der NPD. Wir wenden uns scharf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Menschen in diesem Land müssen wir darüber aufklären, welcher Zusammenhang zwischen dem Schüren der Angst vor Terror und der Absicht, aus diesem Land einen Polizeistaat zu machen, besteht.
UZ: Dein politisches Engagement ist umfassend und vielfältig. Was ist dein Motor, und was ist dein Ziel?
Christel Wegner: Erinnerst du dich noch an den Spruch: "Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!"? Das ist zwar einfach ausgedrückt, trifft es aber. Und mein Ziel ist natürlich, Veränderungen mit bewirken zu können.
UZ: Ich danke dir, Christel, und wünsche dir viel Erfolg.
Die Fragen stellte
Heide Janicki
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