Von Timo Berger, Buenos Aires
Es war wie ein Zeichen: Tagelang hatten schwere Regenfälle viele Straßen Paraguays unpassierbar gemacht. Am Wahlsonntag dann schien im ganzen Land die Sonne. Und doch war es nicht das gute Wetter, das die Menschen massenhaft in die Wahllokale trieb, sondern die historische Chance, der sechs Jahrzehnte dauernden Alleinherrschaft der konservativen Colorado-Partei ein Ende zu setzen. Das gelang ihnen. Der neue Präsident Paraguays heißt Fernando Lugo, ein Befreiungstheologe, Oppositionsführer und Hoffnungsträger.
Bis zuletzt hatten Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Lugo und der Regierungskandidatin Blanca Ovelar vorhergesagt. Doch schon die ersten Hochrechnungen wiesen für den 56jährigen einen Vorsprung von fast zehn Prozent gegenüber der ehemaligen Bildungsministerin aus. Nach Auszählung von 92 Prozent der Stimmen lag Lugo bei 40,7 Prozent, Blanca Ovelar bei 31,1 Prozent und der drittplazierte ehemalige Armeechef, General a.D. Lino Oviedo, bei 21,8. Als eines der ersten ausländischen Staatoberhäupter gratulierte die argentinische Präsidentin Cristina Fernández zum Wahlsieg: »Ich bin überzeugt, daß unter Ihrer Führung Paraguay den Weg der sozialen Gerechtigkeit beschreiten wird«, schrieb sie.
Kaum waren die ersten Teilergebnisse bekannt geworden, feierten Anhänger Lugos in der Hauptstadt Asunción mit Feuerwerk und Hupkonzerten. Sichtlich bewegt trat Lugo am Abend vor seine Anhänger, die sich vor dem Sitz des Oppositionsbündnisses »Patriotische Allianz für einen Wechsel« (APC) in Asunción versammelt hatten. »Ihr habt entschieden, was in Paraguay getan werden soll«, rief er den jubelnden Menschen zu: »Ihr habt entschieden, daß Paraguay frei, souverän und unabhängig sein soll.« Am Ende seiner Rede verglich er die Wahlen mit dem Beginn der Unabhängigkeit des Landes 1811 und forderte seine Anhänger auf, »uns nie allein zu lassen, denn die Demokratie tragen wir gemeinsam«.
Wenn Lugo am 15. August das Präsidentenamt übernimmt, werden alle Länder des regionalen Freihandelsbündnisses Mercosur linksgerichtete Regierungen haben: Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, die assoziierten Mitglieder Chile und Bolivien, sowie Venezuela.
Die Wahlen verliefen ruhig. In den vergangenen Tagen und Wochen hatte es Befürchtungen gegeben, die Regierungspartei würde ihren Machtverlust nicht ohne weiteres hinnehmen. Doch zu Wahlfälschungen im größeren Umfang ist es wohl nicht gekommen. Das erklärte eine Delegation der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die nur »wenige Unregelmäßigkeiten« konstatierte. Der Präsident der Wahlbehörde, Rafael Dendia, wertete die Wahlen als »transparent«. Die 2,8 Millionen Stimmberechtigten waren aufgerufen, neben dem Präsidenten und dessen Stellvertreter auch das Parlament, Gouverneure und Gemeinderäte neu zu besetzen. Die Wahlbeteiligung war mit 66 Prozent die höchste seit dem Ende der 35jährigen Militärdiktatur von Alfredo Stroessner (1954–1989).
Auf den politischen Neuling Lugo wartet viel Arbeit: 43 Prozent der rund 6,5 Millionen Paraguayer leben in Armut, davon 1,2 Millionen in extremer Armut. Das Gesundheits- und Bildungswesen bedarf dringenden Reformen, der Analphabetismus ist weit verbreitet, und rund 300000 landlose Bauern fordern eine Agrarreform.
Quelle: jungewelt.de
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vor 7 Stunden
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