Paranoia, eine Revue gegen die Furcht und das Elend in Deutschland
Das Stück entsteht in einer Zeit in der die großen Ideen vom Weltkommunismus von der Erfahrung des Einzelnen - als wichtiger politischer Moment - verdrängt wird. Eine Erfahrung die das Kollektiv am eigenen Leib erlebt und der sie sich (noch) nicht beugen will. Man glaubt weiterhin an die Möglichkeit einer persönlichen Weiterentwicklung im Kollektiv durch die kollektive Arbeit. Schließlich ist man ein politisches Theater.
In dem Stueck "Paranoia" heißt es am Anfang: "Viele große Bücher sind schon geschrieben, viele große Aussprüche sind getan, wir skizzieren euch heute lediglich ein Bild von dem, was gelegentlich hier so läuft, obwohl wir es selber nicht mehr so recht verstehen." "Paranoia" ist in drei Teile gegliedert. 1. Unser Erbe, die Nazivergangenheit unserer Eltern in Deutschland, dann 2. eine Bestandaufnahme des Jetzt und 3. ein Blick in die Zukunft.
Im ersten Teil erzählt ein Conferencier in Strumpfhose, Stöckelschuhen und Glitzerjacket wie er mit Freunden Flugblätter gegen die Nazis druckt, wie sie fast erwischt werden, schließlich aufgeben und sich anpassen. Wie er im Krieg einen Arm verliert und nachher als Tingeltangel Künstler sein Leben fristet. In seinem Song erzählt er: "Ja Mann, wie der Vogel den Kopf in den Sand steckt, haben wir beim Lachen das Sehen vergessen und als wir es sahen, blieben wir stumm." Und: "...doch wenn ich dann selbst im Auto nach Buchenwald gefahren würde, und da würden zwanzig Mann kommen und den Transport stoppen, das wäre stark."
Im zweiten Teil erzählt ein Rocker Geschichten aus seinem Viertel: der arbeitslose Ponkowsky, der im Arbeitsamt rumballert, die Hure Holly, die den Bullen auf den Leim geht, wie die Türkin Shirin bei einem Arbeitsunfall an der Akkordmaschine umkommt und - wie ein deutsches Staatsoberhaupt Unterricht nimmt bei seinem Schauspielerfreund um wirkungsvoll und eindrücklich sein reaktionäres politisches Programm beim Volk anzubringen. Als Vorlage dient die "Sonthofener Rede" von Franz Josef Strauss. Dann singt der Rocker: "Alle sagen ich waer das Letzte, ein Nichts, alle sagen, das läuft nicht Junge, du bist ne Null, ich aber sage: Schluß mit der Scheisse, jetzt steig ich ganz groß ein..." Danach rast er mit dem Motorrad an einen Baum und ist tot. Die fetzige Rockmusik der "Ton Steine Scherben" läßt keinen im Publikum stillsitzen. Die große Stärke der Roten Rübe mit den Stilmitteln der Zeit, dem Jargon und der Philosophie der jungen Leute ihre Visionen zu vermitteln ist nach wie vor einzigartig und nur mit anderen internationalen Gruppen wie La Mama (New York), Peter Brook (Paris) oder dem Living Theater (Amerika/Europa) zu vergleichen. Die Vorstellungen sind nach wie vor ausverkauft und ein begeistertes Publikum feiert das Kollektiv, das inzwischen gut zusammengewachsen ist, wo immer sie auftauchen. Man tingelt durch die Lande durch Deutschland, Schweiz, Holland, Frankreich, Italien, Dänemark, Österreich.
Der dritte Teil von "Paranoia" beschäftigt sich mit der Anti AKW Bewegung, mit den Demonstrationen in Wackersdorf und Whyl. Recherchen vor Ort garantieren die Authentizität der Inhalte. Die Gruppe nimmt aktiv am politischen Geschehen teil, setzt sich hin und schreibt ein Stück. So haben Brecht, Piscator, Mayakowski und Augusto Boal gearbeitet.
In "Paranoia" erzählt eine Bauersfrau aus Whyl wie sie durch die Anti AKW Bewegung politisch zu Denken anfängt und ihr bisheriges Leben kritisch hinterfragt. Wie dieses Nachsinnen Auswirkungen bis ins häusliche Ehebett hat, das sie mit ihrem Polizistengatten teilt. Dieser sieht sich selbst als Opfer des Systems. Als er auf die Anti AKW Demo auf die Demonstranten losgehetzt wird, sieht er sich mit Knüppel und Pistole seinen eigenen Freunden und Nachbarn gegenüberstehn, die ihm die Pistole wegnehmen und ein "ernstes Wörtchen" mit ihm reden. Er tritt der Anti AKW Bewegung bei und am Schluß des Stücks singen alle: "Kommt heraus ihr Brüder und Schwestern, kämpft mit uns, und fürchtet euch nicht..."
Das Stück, besonders die Alltagshorrorgeschichten des Rockers werden von einigen Leuten aus der damaligen linken Szene als übertrieben empfunden. "Bildzeitungsstil" sagen sie. Aber wie immer sind die Meinungen geteilt und die Rote Rübe bietet nach vielen Vorstellungen Diskussionen über den Inhalt des Stücks an, wo es nach wie vor heiß her geht. Das Publikum ist eine Mischung aus den damaligen politischen Gruppierungen. Die sogenannten K-Gruppen, KPD, DKP, KPD/ML, verschiedene Studentenorganisationen mit den wildesten Namen, dann die "Arbeitersache", die "Spassguerilla", "Tunix", die Frauenbewegung mit ihren verschiedenen inhaltlichen Auslegungen. Die Arbeiter selbst, früher von der Gewerkschaft IG Metall zu Rote Rübe Veranstaltungen gekarrt, bleiben nun eher weg.
Es entsteht eine neue Schallplatte mit den Songs und Szenen Ausschnitten aus "Paranoia". Musik: Ton Steine Scherben, Verlag: Trikont Verlag München.
Paranoia
Title
01 entree
02 manchmal wenn ich so dasitze pt. 1
03 manchmal wenn ich so dasitze pt. 2
04 nie wieder-die zeiten sie ändern sich
05 paranoia
06 taifuns traum
07 song der hure holly pt. 1
08 song der hure holly pt. 2
09 das paradies
10 song der emma p.
11 zeitmaschine
12 eine tote zuviel
13 horrormäuse
14 miss lissy lamour
Genre: Theatermusik
Bitrate: 192 kBit/s
Year: 1976
Tapiola by Jean Sibelius
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Tapiola, op.112, is a 1926 symphonic poem by Finnish composer Jean
Sibelius (1865 - 1957). His seven symphonies are generally considered the
highlight o...
vor 17 Stunden
3 Kommentare:
Oh ja, da kommen Erinnerungen auf, hab zwar fast alles von den Scherben, aber dies Platte....irgendwie hatt ich sie vergessen
Herzlichen Dank und bitte weiter so, diese Sachen dürfen nicht in Vergessenheit geraten !!
oh mist war zu ungeduldig :-) bitte 2x löschen
hab dann 5 x gelöscht *lach*
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