Zu diesem Wochenende möchte ich Euch einer der wohl schrägsten Interpreten vorstellen, die die moderne Musikwelt bislang kennenlernen durfte.
Thomas Alan Waits (* 7. Dezember 1949 in Whittier, Kalifornien) ist ein US-amerikanischer Sänger, Komponist, Schauspieler und Autor.
Biografie
Kindheit und Jugend
Nach seinem Biographen Barney Hoskyns wurde Tom Waits in der Stadt Whittier im Los Angeles County geboren, einer Stadt, die auch lange nach seiner Geburt so typisch für das Bild Amerikas der 1950er Jahre war, dass deren Highschool noch 1985 als Kulisse für den Film Zurück in die Zukunft dienen konnte. Sein Vater Jesse Frank Waits (benannt nach Jesse und Frank James) war schottisch-irischer Abstammung und kam aus Texas. Er unterrichtete Spanisch in Pomona, Whittier, La Verne und Montebello und war ein unverbesserlicher Trinker. Waits Mutter Alma arbeite ebenfalls als Lehrerin, war streng puritanisch erzogen und in Oregon aufgewachsen. Nachdem sein Vater die Familie 1959 verlassen hatte und seine Eltern sich scheiden ließen, zog seine Mutter mit ihm und seinen beiden Schwestern nach Chula Vista. Dort besuchte er die Hilltop Highschool.
In den letzten Jahren seiner Highschoolzeit begann Tom Waits bei Napoleone’s Pizza in National City als Geschirrspüler und Koch zu arbeiten. Er „machte gute Pizzen“, wie sich sein früherer Arbeitgeber Sal Crivello erinnerte. Diese Zeit bezeichnete er als seine glücklichste Zeit und die Gespräche der Gäste waren ihm eine große Inspirationsquelle für seine späteren Lieder. In der Jukebox von Napoleone´s Pizza entdeckte er die Musik von Ray Charles und James Brown. Er schwärmte für Bob Dylan, den er zeitweise imitierte, aber auch für Frank Sinatra und Cole Porter. Die Hippiebewegung der 1960er war und blieb ihm fremd, er „war ein Rebell gegen die Rebellen“, wie er 2004 sagen sollte. In dieser Zeit brachte er sich selbst das Klavierspielen bei und begann in der Highschool Band The System, einer R&B-Combo, zu spielen.
Waits war fasziniert von den Vertretern der Beat Generation und deren Literatur. Er beschäftigte sich mit den Texten von Jack Kerouac, Allen Ginsberg und Delmore Schwartz. Inspiriert von der Rhythmik der Beatliteratur begann er seine ersten Lieder zu schreiben. Nach eigenen Aussagen ersetzte er dazu anfangs nur Stellen in Originaltexten bestehender Lieder durch Obszönitäten.
Anfänge der Karriere
1969 begann Tom Waits im Heritage, einem Club in San Diego, in dem größtenteils traditionelle Folkmusik und Bluegrass gespielt wurde und von dem Banjospieler Bill Nunn und dem Engländer Stewart Glennan betrieben wurde, als Türsteher zu arbeiten. Im Heritage wurde er bekannt als der Türsteher, der immer ein Buch unter dem Arm hatte, doch in seinem Job übte er auch seine Fähigkeiten als Entertainer. Während seiner Arbeit begann er Gespräche, die um ihn herum stattfanden, aufzuschreiben und kreierte aus diesen aufgeschnappten Schnipseln eigene Songs. „Ich fand, dass in den Unterhaltungen viel Musik drin war“, meinte Tom Waits in einem Interview zu dieser Angewohnheit. Die Dialogfetzen irgendwo zwischen Trunkenheit, Gewalt und Depression sind immer wieder Thema in seinen Liedern. Im Heritage hatte Waits am 20. und 21. November 1970 seinen ersten Auftritt gegen Gage, auch wenn sein Repertoire nicht ganz in das Programm des Clubs passte: es bestand hauptsächlich aus Bob Dylan-Titeln, gemischt mit Blues- und Country-Nummern und derben Witzen. Der erste von ihm öffentlich gespielte eigene Song war Poncho´s Lament, ein ironisierter Country-Walzer, wie er für die damalige San Diego-Szene typisch war. Die Gage betrug 6$, als Türsteher verdiente er 8$ am Abend.
Das Talent des jungen Songwriters sprach sich in San Diego rasch herum und es folgten bald Auftritte in anderen örtlichen Clubs, wie dem In the Alley, wo er im Vorprogramm von Tim Buckley und Sonny Terry und Brownie McGhee spielte, was er als große Ehre empfand. Doch die Chance, außerhalb der begrenzten San Diego-Szene mit ihren mangelhaften Möglichkeiten bekannt zu werden, bot sich bei den Open-Stage-Hootenanny-Nächten am Montag in Doug Westons Club Troubadour in West Hollywood.
Die siebziger Jahre
Closing Time
Bei einem der Hootenannies hörte der Manager Herb Cohen Tom Waits und nahm ihn unter Vertrag. Bei Cohens Label Bizarre Records waren auch solch unkonventionelle Künstler wie Frank Zappa und Captain Beefheart unter Vertrag, doch Waits wurde zu Beginn nur als Autor verpflichtet. Ihm gefiel zunächst die Vorstellung, für andere Sänger auf Bestellung zu schreiben und dafür ein Gehalt von 300$ zu bekommen. Ermutigt durch seinen Manager zog Tom Waits 1972 nach Los Angeles und nahm seine ersten Eigenkompositionen auf. Begeistert von einem Open-Stage-Auftritt und den Demoaufnahmen nahm David Geffen, der Besitzer von Asylum Records, Waits bei seinem Label unter Vertrag. Für Geffen war Waits „exakt das, was [er] bei Asylum haben wollte. Er sah nicht so aus, wie die Singer-Songwriter damals aussahen. Er hatte eine ganz eigene Stimme, seinen eigenen Stil, seine eigene Präsentation und augenscheinlich ein ganz eigenes Desinteresse an all diesen Dingen. Aber seine Songs bliesen mich weg. Ich liebte die Art, wie er sang.“
Waits entdeckte zu dieser Zeit Charles Bukowski, den Chronisten der kalifornischen Unterschicht durch dessen wöchentliche Kolumne Notes of a Dirty Old Man in der LA Free Press als Inspirationsquelle für sich.
1972 nahm Tom Waits unter der Anleitung von Produzent Jerry Yester in 10 Tagen und mit einer idealen Studioband sein erstes Studioalbum Closing Time auf. Das Album, das im März 1973 veröffentlcht wurde, stellt in Waits' Diskographie eine Ausnahme dar, da es sich stilistisch noch deutlich von den späteren Platten unterscheidet. Die Promotiontour zur Platte mit einer eilig zusammengestellten Band kam zu Beginn gut beim Pulikum an, auch wenn die Musik stilistisch nicht so recht in die Zeit passte. Waits freute sich, dass sein Traum, sich als Musiker zu etablieren, in greifbarer Nähe war. Er freute sich, „weg von zu Hause zu sein und durch die amerikanische Nacht zu fahren.“ Doch nach einem Auftritt in einer Kindershow in einem Einkaufszentrum in Atlanta und ähnlichen unangenehmen Erfahrungen kehrte Waits im Juni 1973 ernüchtert vom Tourgeschäft nach Los Angeles zurück. Eine weitere Desillusionierung stellte der Verkauf von Asylum an Warner Brothers dar. Doch als Trostpflaster für Waits begannen die ersten Musikerkollegen, den jungen Songwriter zu entdecken. Als eine der ersten Bands nahmen die Eagles 1974 den Song Ol' 55 auf und Martha wurde von Lee Hazlewood und Tim Buckley gecovert.
Während der Tour hatte Waits mit seinem Standbassisten Ben Webb in Lowell (Massachusetts) das Grab des 1969 verstorbenen Beatpoeten Jack Kerouac gesucht, allerdings nicht gefunden. Nicht nur Waits Poesie war bis dahin von dem Dichter beeinflusst, er schwärmte auch für Poetry for the Beat Generation, eine Platte, auf der Kerouac 1959 seine Texte zur Musik des Komikers und Jazzpianisten Steve Allen gesprochen hatte. Für die Songs seines zweiten Albums lies sich Waits zum Teil von dieser Musik inspirieren.
The Heart of Saturday Night
Waits hatte gehofft, Ende 1973 einen Studiotermin zu bekommen, doch Herb Cohen schickte ihn und Ben Webb erst einmal als Vorprogramm von Frank Zappa and the Mothers of Invention auf Tour. Der ursprüngliche Support-Act Kathy Dalton war abgesprungen, da die Zappa-Fans nicht mit ihr klar kamen. Waits war gezwungen, an George Dukes E-Piano zu spielen und Webb hatte keine Erfahrung an der ihm aufgezwungenen Bassgitarre. Schon der erste Auftritt in der Avery Fisher Hall im Lincoln Center in New York vor „viertausend vollbreiten und verärgerten Zappa-Fans [die] Toms Balladen-Stil überhaupt nicht schätzten und uns das auch spüren ließen“ (so Bob Webb 2007) war eine echte Feuertaufe und während der gesamten Tour wurden die beiden meist wüst beschimpft und ausgepfiffen.
Von nun an begann Waits sich in das Kunstprodukt "Tom Waits" zu verwandeln. Als ihn im Januar 1974 die LA Free Press interviewte, saß er im Duke´s, einem Coffeeshop am Santa Monica Boulevard im Schatten des Tropicana Motor Hotels. Diese heruntergekommene Herberge war in den frühen 1960ern von dem Baseballspieler Sandy Koufax eröffnet worden und hatte dem Regisseur Paul Morrissey 1972 für seinen Film Andy Warhol´s Heat als Kulisse gedient. In dem Motel verkehrten die Musiker und Künstler, die sich keine teurere Bleibe leisten konnten oder wollten. Man konnte dort Jim Morrison, Sam Shepard, Alice Cooper oder Warren Zevon zu Beginn seiner Karriere begegnen. Das Top Trop, wie es auch gelegentlich liebevoll genannt wurde, sollte für Waits die nächsten Jahre Teil seines Lebens sein und diese Zeit prägte sein Image als Rowdy und Trunkenbold. Er war jetzt ständig auf Achse, verfeinerte seine Bühnenshow und gab Gastspiele in Läden, wie dem Ebbet´s Field in Denver. Dort lernte er Chuck E. Weiss kennen, einen Paradiesvogel im Chinchillamantel und Plateaustiefeln, der zahlreiche Bluesheroen kannte und bereits mit ihnen gespielt hatte. Sie wurden Freunde und Weiss wurde eine Art Mentor für Waits, obwohl er sein erstes Album erst 1999 mit Waits´ Hilfe veröffentlichen konnte.
Am 23. April 1974 begannen die Aufnahmen für Tom Waits´ zweites Studioalbum The Heart of Saturday Night in Wally Heiders Studio 3 am Cahuenga Boulevard. Maßgeblich daran beteiligt war der Produzent Bones Howe, den David Geffen vermittelt hatte und der in seiner Karriere bisher für so unterschiedliche Künstler wie The Fifth Dimension, Elvis Presley, Frank Sinatra oder den Free Jazz-Pionier Ornette Coleman gearbeitet hatte. Ähnlich wie Howe kamen auch die anderen beteiligten Musiker aus den Bereichen zwischen Jazz und Pop, was die Aufnahmen deutlich in die von Waits gewünschte Richtung führte. Die Beteiligung von Musikern wie Mike Melvoin am Piano und Jim Hughart am Bass bestimmten nachhaltig den Stil des Albums, das weit jazziger war und noch weniger dem damaligen Pop-Mainstream entsprach als sein erstes Album. Auf dem Cover ist eine Zeichnung des Sängers in seinem typischen Outfit zu sehen: zerschlissenes Sakko über schmuddeligem Hemd, um den Hals eine schlecht gebundene Krawatte, gekrönt von einer Schiebermütze.
Nach dem Erscheinen von The Heart of Saturday Night im Oktober 1974 ging Waits auf Betreiben seines Managers Herb Cohen, diesmal allerdings solo, widerwillig wieder auf Tour mit Zappa. Die Reaktionen des Publikums waren zwar ähnlich wie beim ersten Mal, aber Waits hatte die Unterstützung des exzentrischen Frank Zappa und dadurch in den Augen der Branchenkollegen gewissermaßen das "Zappa-Gütesiegel" erhalten, was ihm durchaus in seiner weiteren Karriere hilfreich war.
Nighthawks at the Diner
Herb Cohen hatte aufgrund seiner Anregungen wesentlichen Anteil daran, wie sich Waits präsentierte, und diese Hilfe benötigte der Künstler auch für seine Performance. Im März 1975 äußerte Cohen die Absicht ein Doppel-Live-Album zu veröffentlichen. Zwar war das Format durch die Rockbands der 1970er Jahre populär geworden, aber es sollte kein weiteres Live at the Fillmore East werden: gedacht war eher an eine ideale Waits-Location, eine anrüchige Spelunke oder einen verräucherten Nachtclub. Da kein geeignetes Lokal gefunden werden konnte, das Troubadour kam nicht in Frage, entschied man sich, den rückwärtigen Teil des Record Plant Studio, wo Barbra Streisand einige Stücke ihres letzten Albums aufgenommen hatte, komplett leerzuräumen und mit aufgestellten Tischen vor ausgewähltem Publikum eine Nachtclub-Atmosphäre zu erzeugen. Begleitband war weitgehend die gleiche Besetzung wie bei The Heart of Saturday Night. Neben Mike Melvoin und Jim Highart waren dies Pete Christlieb am Tenorsaxophon und Bill Goodwin, der vorher bei Mose Allison getrommelt hatte, ersetzte Jim Gordon am Schlagzeug.
Jim Highart erzählte: „Der Raum hatte eine angenehme Größe. Er war ausstaffiert wie ein Nachtclub: große Tische mit karierten Tischdecken, Erdnüssen, Brezeln, Wein und Bier. Wir spielten jede Nacht vier Shows und tauschten das Publikum nach jeder Show aus. Wir zogen die Sache wie in einem richtigen Nachtclub auf.“
Als Sahnehäubchen trat auf Vorschlag von Herb Cohen zu Beginn die Stripperin Dewanna auf, während die Band Night Train oder das Pink Panther Theme spielte.
Die inzwischen legendären Aufnahmen zu Nighthawks at the Diner am 30. und 31. Juli 1975 waren ein Triumph. „Ein scheinbar authentischer Trip in die Untiefen eines Hipster-Lebens, das dazu noch urkomisch war. Waits´ Gestus und sein Timing ... hatten Stand-Up Comedy-Qualitäten.“ Während der letzten Töne des Albums bedankt sich Waits bei seiner Band mit den Worten: „Sie kommen alle aus guter Familie. Aber über die Jahre haben sie sich ein paar unschöne Angewohnheiten zugelegt.“ So hatte er sich selbst kurz zuvor auch schon charakterisiert.
Small Change
David Geffen mochte Nighthawks at the Diner nicht, da es ihm zu jazzig war und er auf ein Westküstenpendant zu Springsteens Erfolgsalbum Born to Run gehofft hatte. Die Verkaufszahlen waren enttäuschend.
Für ein einwöchiges Gastspiel in New York City stellte Bill Goodwin auf Bitte von Herb Cohen ein Jazz-Trio mit dem Saxophonisten Al Cohn zusammen, mit dem sich Waits auf Anhieb gut verstand, doch die Auftritte im Reno Sweeney´s waren ein echter Alptraum für Waits. Er trank zu viel, sah krank aus, war reizbar und misanthropisch. Auch die folgende Tour im Vorprogramm von Bonnie Raitt tat seinen Trinkgewohnheiten nicht gut.
Im März 1976 stellte sich Waits ein Trio mit den New Yorker Musikern Frank Vicari (Tenorsaxophon), Alan "Chip" White (Schlagzeug) und einem Bassisten mit dem denkwürdigen Namen Fitzgerald Huntington Jenkins III, der gerade seinen Abschluss in Medizin gemacht hatte, zusammen. Eine der ersten Shows war als Anheizer für Charles Bukowski in Pittsburgh. Im Verlauf der Tour ging es Waits immer schlechter. Ein entscheidender Moment für Waits wachsende Abneigung gegen die amerikanische Rockmusik war ein völlig verpatztes Konzert in New Orleans in Verbindung mit der Rolling Thunder Revue. „Mich hat man nicht einmal gefragt. Noch bevor ich wusste, wie mir geschah, spielte der beschissene Roger McGuinn da oben Gitarre und Joan Baez und Kinky Friedman sangen. Als ich schließlich auf die Bühne kam, war das Publikum vollkommen neben der Kappe. ... So einen Scheiß kann ich nicht gebrauchen, schließlich war das meine Show.“
Herb Cohen organisierte Waits´ ersten Trip mit Vicari, White und "Fizz" nach Europa. In London traf er eine Reihe von Musikjournalisten, doch der Londoner Zeitgeschmack mit dem aufkommenden Punk war nicht günstig gewählt für Waits´ Musik, und so lernten diese v. a. die reizbare Seite des Künstlers kennen. Doch London war auch der Ort, in dem Waits wieder einen kreativen Schub bekam und im Hotelzimmer begann, neue Songs zu schreiben. In kurzer Zeit schrieb er die elf Lieder für sein Album Small Change, das ihm endgültig den finanziellen Durchbruch bescheren sollte. Ein kurzer Abstecher nach Kopenhagen brachte ihm die Inspiration für einen seiner bekanntesten Songs Tom Traubert’s Blues, in dem er die "inoffizielle Nationalhymne" Australiens Waltzing Matilda mit verarbeitete. Bei seinen Konzerten spielt Waits diesen langsamen Walzer häufig als Schlußnummer.
Die Aufnahmen wurden innerhalb 5 Studiotagen beendet. Sie begannen am 15. Juli 1976 und endeten am 30. Juli. Bones Howe schlug als Schlagzeuger den 30 Jahre älteren Veteranen des Bebop und West Coast Jazz Shelly Manne vor. Manne fand Waits´ auf Anhieb sympathisch und seine Gegenwart wirkte sich positiv auf die Stimmung im Studio aus. Nach der ersten Session fragte er die anderen Musiker: „Wer ist dieser Typ? Er ist der älteste junge Kerl, oder der jüngste Alte, den ich jemals getroffen habe.“ Waits´ Stimme hatte sich verändert und war ab nun für immer so rau und kratzig, wie es bis heute für ihn typisch ist. Auch in seinem Klavierstil hatte er Sicherheit gefunden und spielte selbst an Stelle von Mike Melvoin. Das Album wurde auch Kritikererfolg und erreichte als erstes von Waits´ Alben die Billboard 200.
Es folgte eine dreimonatige Tour zum Album, deren Höhepunkt eine Homecoming-Show in Dan Diego war. Um Waits´ Heimweh und Depressionen entgegen zu wirken organisierte der Promoter von Asylum Fred Toedtmann erstmals in Cleveland den Überraschungsauftritt einer Stripperin während des Intros der Band zu Pasties and a G-String. Nachdem sich Waits darüber riesig freute, sorgte der Roadmanager John Forscha dafür, dass künftig bei möglichst jeder Show eine Stripperin bei dem Song auf die Bühne kam.
Als er durch den Erfolg von Small Change immer interessanter für Musikzeitschriften und Talkshows wurde, entwickelte Waits bei Interviews beinahe eine Paranoia, denn er fürchtete, dass Lügen über ihn veröffentlicht werden könnten. „Bei einem Interview […] sprach er aus Angst, er könnte falsch zitiert werden, alles auf ein Tonbandgerät – und kündigte im gleichen Atemzug an, er werde dem Reporter von Zeit zu Zeit bewusst die Unwahrheit erzählen.“ schreibt Cath Carroll in ihrer Tom-Waits-Biografie über dessen Eigenheit.
Waits verlor sich immer mehr in seiner Rolle als "Tom Waits" und die Grenze zwischen der Person und dem Kunstprodukt verwischte langsam, auch wenn er natürlich kein Original-Beatnik aus den 1950ern war. Im Rückblick argumentierte er, dass er dies tat, „um zu überleben“. Er wurde zu einer „Figur in [seiner] eigenen Geschichte“. Sein Alkoholkonsum stieg so stark an, dass er schließlich die Notbremse ziehen musste. „Ich fing an mich zu ermahnen, den Scheiß endlich sein zu lassen“ meinte er später dazu in einem Interview. Musikalisch hatte er die Gefahren des Trinkens mit Bad Liver and a Broken Heart auf der Platte Small Change behandelt. In diesem Stück versuchte Waits den Mythos des echten amerikanischen Trinkers und Musikers zu zerstören.
Foreign Affairs
1977 ging Waits auf seine erste erfolgreiche Japan-Tour. Zurück im Tropicana wurde er zunehmend das Zugpferd des Hotels, wo sich in dieser Zeit nicht nur diverse Punk- und Rockabilly-Bands einmieteten, sondern auch Künstler wie Elvis Costello und Blondie. Den auch in Amerika aufkomenden Punk betrachtete Waits als Frischzellenkur für das Musikgeschäft und er hieß ihn mit offenen Armen willkommen und die Hipster von Mink DeVille, die er im CBGB kennenlernte, wiesen mit ihrem Musik- und Kleidungsstil eindeutige Parallelen zu seinen eigenen Vorlieben auf.
Sein nächstes Album Foreign Affairs wurde thematisch durch den Film noir beeinflusst. Für die aufwändigen Orchesterarrangements verpflichtete Bones Howe diesmal Bob Alcivar, der sich Waits durch seine Arbeit für Lord Buckley empfahl. Die Aufnahmen begannen am 26. Juli 1977 und gestalteten sich schwierig, so dass sie sich bis zum 16. August hinzogen. Die Fertigstellung des Albums sollte noch einmal mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Viele der Tracks wurden mehrmals aufgenommen, da Waits nie mit den Ergebnissen zufrieden war und ihn der massive Orchestereinsatz in Selbstzweifel stürzte. I Never Talk to Strangers schrieb er für Bette Midler, mit der er zu dieser Zeit liiert war und die bei dem Titel auch im Duett mit ihm zu hören ist. Das monochrome Cover des Albums ist unmissverständlich durch den Film noir geprägt, der Fotograf war Hollywoods Porträt-Veteran George Hurell.
Nachdem die Verantwortlichen bei der Plattenfirma Elektra die Bänder von Foreign Affairs zum ersten Mal in fertig produziertem Zustand gehört hatten, wusste keiner, wie es zu vermarkten wäre. Niemand bemühte sich mehr, Waits besonders zu unterstützen und zu Waits´ großer Enttäuschung erreichte das Album nicht die Billboard-Charts.
Über Chuck E. Weiss lernte Waits Rickie Lee Jones kennen und nachdem er die Sängerin mit ihren, den seinen thematisch ähnlichen, Songs gehört hatte, war es um ihn geschehen und es entflammte eine schnelle und heftige Beziehung der beiden. Wenn sie als Trio Partys sprengten und betrunken Arm in Arm durch Hollywood torkelten schien es als wollten sie die berühmte Menage a trois zwischen Jack Kerouac und Neal und Carolyn Cassady nachspielen.
1978 begann Waits erstmals Filmluft zu schnuppern. Sylvester Stallone als Regisseur und Hauptdarsteller engagierte ihn für den Film Vorhof zum Paradies (Paradise Alley) in der Rolle des verwahrlosten Kneipenpianisten Mumbles für einen Kurzauftritt. Außerdem schrieb er zwei Songs für den Soundtrack des Films, der allerdings floppte und von der Kritik verrissen wurde.
Auf einer zweiten Japan-Tour experimentierte Waits mit seinem Bühnenauftritt. Er setzte verstärkt Requisiten, wie etwa eine Straßenlaterne bei seinem Crooning, ein. Er begann sich mit den Bereichen Film, Musical oder dem Schreiben zu beschäftigen. Ein erster Imagewechsel zeichnete sich 1979 mit dem Auszug aus dem Tropicana ab, als er sich ein kleines Zimmer am Sunset Boulevard bei Van Ness mietete. Noch deutlicher zeigte sich der Wechsel allerdings am Stil seines folgenden Albums.
Blue Valentine
Um sich endgültig von seinem Alkoholproblem zu lösen, zog Waits im Januar 1980 nach New York. Kaum in New York angekommen, trat Francis Ford Coppola an ihn heran, um ihn für ein Filmprojekt zu gewinnen. Aus dieser Zusammenarbeit entstand das Album One from the Heart. Waits lernte dabei die Mitarbeiterin des Regisseurs, Kathleen Brennan, kennen. Die beiden heirateten am 10. August 1980 und sind bis heute nicht nur im Leben, sondern auch in künstlerischen Dingen Partner. „I found the Marriage Chapel in the Yellow Pages, right next to 'Massage'. The registrar's name was Watermelon and he kept calling me Mr. Watts!“, sagte Waits über die Hochzeit. Durch Kathleen nahm Waits' Leben endgültig geordnete Bahnen an. 1983 wurde auch sein erstes Kind Kellesimone geboren, zwei Jahre später folgte Sohn Casey Xavier und 1993 Sohn Sullivan. Casey Xavier Waits begleitet Waits inzwischen auf Konzerten an den Percussions und den Turntables und ist zudem als Musiker auf den Alben Orphans und Real Gone zu finden. Sullivan Waits ist ebenfalls bei einem Stück auf dem Album Orphans beteiligt.
Die achtziger Jahre
Mit Swordfishtrombones veröffentlichte er 1983 das erste Album, das er nicht nur selbst geschrieben, sondern auch produziert hatte. Er wechselte von seiner bisherigen Plattenfirma Asylum Records zu Island Records und trennte sich von seinem langjährigen Manager Herb Cohen. Waits kappte damit das letzte Verbindungsglied zu seinem bisherigen Leben. Swordfishtrombones ist auch vom Musikalischen her ein Wendepunkt in Waits' Schaffen: Er entfernte sich immer weiter von konventionellen Arrangements und forcierte den Einsatz von Geräuschen. Der Musiker setzt in seinen Liedern auf Dampfmaschinen und Hämmer und nicht mehr auf Gitarrenakkorde oder Klavierharmonien. Auch der bewusste Einsatz von geräuschvollen, schmutzigen Aufnahmen wird immer stärker Teil seiner Platten. Die Musik stellt nun oft eine klangliche Kulisse für Waits' Gesang dar. Waits sagt über seine neuen Songs, er habe die Musik und die Arrangements ganz auf die Eigenheiten des jeweiligen Stücks hin zugeschnitten. Vorher hätten zwar alle seine Songs eine individuelle Stimme gehabt. Die Kleidung sei aber immer die gleiche gewesen.
Die schon Anfang der achtziger Jahre begonnene Arbeit für Theater und Film fand 1985 einen ersten Höhepunkt. Gemeinsam mit Jim Jarmusch und John Lurie schrieb Waits das Drehbuch zu Down by Law. In seiner ersten Hauptrolle spielte Tom Waits dabei den DJ Zack, der zusammen mit Roberto Benigni und John Lurie aus dem Gefängnis ausbricht. Down by Law folgten weitere Projekte mit Jarmusch. Unter anderem spielte er auch in einer Episode von Coffee and Cigarettes. Dort sinniert er mit Iggy Pop über Café, Zigaretten und die schlechte Auswahl der Jukebox. In Hector Babencos Filmdrama Wolfsmilch aus dem Jahr 1987 spielte er mit Jack Nicholson und Meryl Streep. Auch am Theater gelang Waits der Durchbruch. 1986 feierte Frank’s Wild Years Premiere, ein Stück, das Waits gemeinsam mit seiner Frau geschrieben hatte. Uraufgeführt wurde es von der Theatergruppe Steppenwolf, in der auch Waits eine kleine Rolle belegte. In einem Interview gestand er, dass er zu lernen hatte, „sich so aufrichtig wie möglich zu verhalten“, um als Schauspieler bestehen zu können. Der Inhalt des Dramas ist „…eine Kreuzung zwischen einem Roman von Jaqueline Susan und der Bibel“. Der Protagonist Frank ist ein gescheiterter Akkordeonspieler, der erstmals im Album Swordfishtrombones aufgetaucht war und von Waits´ Vater inspiriert wurde. Waits' letztes Theaterprojekt aus dem Jahr 2000 ist eine Adaption von Georg Büchners Woyzeck, die in Kopenhagen Premiere feierte.
Prozesse wegen Urheberrechtsverletzungen
1988 bewarb die Snackfirma Frito-Lay ihre Produkte mit einem Song, bei dem der Sänger versuchte, Waits' Stimme und seinen Song Step Right Up zu imitieren. Tom Waits verklagte das Unternehmen und bekam 2,5 Millionen Dollar zugesprochen. Ebenso zog er gegen seinen alten Manager Herb Cohen vor Gericht, da dieser gegen seinen Wunsch eine Kompilation mit alten Demoaufnahmen herausbringen wollte. Die Platte kam trotzdem 1991 bei dem Label Manifesto auf den Markt. Da Waits sich insgesamt gegen die Kommerzialisierung seiner Musik sträubt, ging er auch gegen einige Autohersteller und MP3.com wegen unerlaubter Verwendung seiner Lieder für Werbezwecke und Verletzung der Urheberrechte vor.
Die neunziger Jahre und Gegenwart
Mitte der neunziger Jahre steckte Tom Waits in musikalischen Belangen etwas zurück. Erst nach dem Wechsel von Island Records zum Indie-Label Epitaph Records erscheint 1999 Waits' erstes Studioalbum seit The Black Rider (1993). Die Platte Mule Variations wurde in einem Hühnerstall aufgenommen. Inmitten von Stücken voll Krawall und Unruhe sind einige leichtfüßige Balladen zu finden, die Waits mit beinahe klarer Stimme singt. Der Musiker ging mit seinem neuen Album noch einmal auf eine große Amerika- und Europatournee. Danach machte er sich rar und Live-Auftritte wurden zu einer Seltenheit. Mittlerweile hat er sich stark aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
2006 erschien die Drei-CD-Collection Orphans – Brawlers, Bawlers and Bastards mit gesammelten Raritäten. Die Glitter and Doom-Tour durch die USA und Europa folgte 2008.
Diskografie
* 1973: Closing Time
* 1974: The Heart of Saturday Night
* 1975: Nighthawks at the Diner (Live)
* 1976: Small Change
* 1977: Foreign Affairs
* 1978: Blue Valentine
* 1980: Heartattack & Vine
* 1982: Chrystal Gayle
* 1983: Swordfishtrombones
* 1985: Rain Dogs
* 1987: Franks Wild Years
* 1988: Big Time (Live)
* 1992: Night on Earth
* 1992: Bone Machine
* 1993: The Black Rider (in Zusammenarbeit mit William S. Burroughs, Libretto)
* 1999: Mule Variations
* 2002: Blood Money
* 2002: Alice
* 2004: Real Gone
* 2006: Orphans: Brawlers, Bawlers & Bastards (Boxset mit 56 Tracks, davon 30 Erstveröffentlichungen)
* 2009: Glitter and Doom (Livealbum der gleichnamigen Tour in 2008)
Quelle: de.wikipedia.org
9 Kommentare:
FANTASTISCH! Danach hab ich lange gesucht!
Vielen Dank! KLASSE!!
Schöner Post.
Auch wenn ich die allermeisten Alben schon hab.
Ich sage mal Fetzig
Danke Dafür Freu
Bounced Checks (1981)
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The Asylum Years (1986)
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The Early Years 1 (1991)
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The Early Years 2 (1993)
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Beautiful Maladies (1998)
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Wenn Ihr Intresse an Bootlegs von Tom Waits habt, meldet Euch einfach auf meinem Forum!
Remi
Die Neue:
"Glitter and Doom" auf knapp 204 MB
http://rapidshare.com/files/303817254/TW-GD.rar
Beste Grüße und schönes Wochenende
Hennes
Danke an Remi und Hennes 11 für die Ergänzungen.
hier habt ihr so ziemlich alles von Tom Waits !!!
greetz
http://tomwaitsuper.blogspot.com/
upps zu schnell
supa sammlung - hab einiges von den platten im kasten.
mag die gitarrenlieder mehr als die klavierlieder.
bussi links, bussi rechts
sabine
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