Ein LeserInnenwunsch, den ich übererfüllen möchte. Warum? Ich finde Filmmusik in der Regel ziemlich Kacke, wenn man nicht den dazugehörigen Film kennt. Also sollte man zu jedem OST auch den Film vorstellen.
Bei Verschwende Deine Jugend sieht das Ganze nochmals anders aus. Erst kam das gleichnamige Buch von Jürgen Teipel, dann der Film. Beide behandeln die Anfänge der Punk-/New-Wave-Bewegung in Deutschland in der Ausprägung, die heute NDW genannt wird.
Dennoch hat der Film nichts mit dem Buch zu tun, ausser das Ralf Hertwig (Drehbuch, Palais Schaumburg) und Benjamin Quabeck (geb. 1976!) sich von dem Buch inspirieren lassen haben. Und interessanter Weise gibt es auch zum Buch einen Soundtrack, der meiner Meinung nach noch besser als der zum Film ist, doch entscheiden müßt Ihr.
Lange Rede kurzer Sinn: Hier die Vorstellung vom Film und den beiden Soundtracks.
DER FILM:
Harry (Tom Schilling) ist 19 Jahre und arbeitet bei einer Bank. Sein Hauptinteresse gilt jedoch der Musik, insbesondere der Münchner Band Apollo Schwabing, deren Manager er ist. Mit seinen Freunden Vince (Robert Stadlober), Melitta (Jessica Schwarz) und Freddie (Marlon Kittel) träumt er vom Durchbruch und großen Konzerten. Doch bislang ist die Gruppe über Auftritte im Gemeindezentrum nicht herausgekommen. Harry will es allen zeigen und hat eine Idee: Warum nicht als Vorgruppe der besten Band DAF – Deutsch Amerikanische Freundschaft – im Circus Krone auftreten? Alle finden es großartig, die Vorbereitungen laufen auf Hochtour. Doch es gibt einen winzigen Haken an der ganzen Sache: DAF wissen nichts von einer Vorgruppe und Harry ist es bislang nicht gelungen an sie heranzukommen...
Während Bob Dylan 1981 sein erstes Konzert in der Münchner Olympiahalle gibt, tobt eine ganz andere Szene durch Deutschland: DIE NEUE DEUTSCHE WELLE. Gruppen wie DAF, Fehlfarben, Ideal und Palais Schaumburg füllen die Konzerthallen, die Jugend tanzt den Pogo. DIE NEUE DEUTSCHE WELLE ist ein Phänomen in der Musikszene, das es so nirgendwo anders gab.
Mit riesigem Aufwand an Kostüm, Maske, Ausstattung und fast 1.000 Komparsen hat Benjamin Quabeck das Drehbuch von Ralf Hertwig (Ex-Palais Schaumburg) und Kathrin Richter umgesetzt und den Anfängen der NEUEN DEUTSCHEN WELLE nachgespürt - eine Zeit des Aufbruchs in der deutschen Musik, des Versuchs neue Wege zu gehen und der Stärke der Jugend das Unmögliche zu wagen. Mit Philip Stegers aka Lee Buddah konnte ein Musiker gewonnen werden, der den Sound von damals ins Heute transferiert und neu gestaltet hat. So ist ein Film über junge Leute, über Musik, Disco, Liebe und den Weg, den man als Jugendlicher bestreiten muss, entstanden. Ein Film, der den Nerv der heutigen Zeit trifft.
Der Soundtrack zum Film:
Wer den NDW-Hype aufgrund mangelnden Alters nicht miterleben durfte, kann sich demnächst durch die Teeniekomödie „Verschwende deine Jugend” dem Phänomen nähern. Der Soundtrack desselben wird nicht ausschließlich aus dem schier unerschöpflichen Nachlass dieser Zeit bestritten. Neben den Original-Bands wie The Cure, DAF, XTC, Human League und den unwiderstehlichen Palais Schaumburg wurden auch fiktionale Bands geboren, welche den Stil der frühen 80er versuchen wiederzugeben. Einer dieser Bands - Apollo Schwabing - wird unter anderem von dem allseits für solche Zwecke beliebten Robert Stadlober an Gitarre /Mikro und Jugend-Idol-Ikone Jessica Schwarz am Bass/Mikro nicht nur schauspielerisch sondern auch musikalisch performed. Das Ergebnis lässt sich sehen und ist nicht von den vielen kleinen, unbekannt-ambitionierten Bands der damaligen Zeit zu unterscheiden. Daseinsberechtigung in der Flut der neuaufgelegten NDW/80er-Sampler erlangt „Verschwende deine Jugend“ aber lediglich durch seine Ausrichtung auf die sehr junge Hörerschaft und natürlich das dazugehörige Zelluloid.
Verschwende Deine Jugend
Titelliste
02 metronome - manicured noise
03 popmaschinen - apollo schwabing
04 being boiled - human league
05 maquinas caminam! - ülük froschmaske
06 (score) - bayerischer hof
07 making plans for nigel - xtc
08 asteroidenalarm - apollo schwabing
09 der mussolini - daf
10 fire in cairo - the cure
11 sure fire - clockwork electric
12 plastik isoliert - apollo schwabing
13 wir bauen eine neue stadt - palais schaumburg
14 risikofaktor 1:x - male
15 a forrest - the cure
16 ach, ja!? - apollo schwabing
17 (score) - banküberfall
18 schnewittchen - die elektrischen zwerge
19 der löwe - apollo schwabing
20 conspiracy theory - mohannett
21 verschwende deine jugend - daf
22 sorglos - die sterne
Genre: New Wave
Bitrate: 128 kBit/s
Year: 2003
DAS BUCH:
Wie lange schon muss ein Bezug zu den 80'ern, dem Punk bzw. Industrial oder Elektronik dieser Zeit herhalten. Jeder der sich irgendwie 'in' nennen will, hält sich an diese Formel. Doch wenig war bislang dokumentiert über das was hierzulande wirklich geschah, wie-wo-was begann, und, vor allem, längst endete.
Inspiriert von der dokumentarisch ähnlich gehaltenen Fassung des Buches 'Please Kill Me' von Legs McNeil, das original Interviews über die Zeit von 1968-1978 von den MC5, Stooges, New York Dolls, Television, Ramones usw. assoziativ zusammenfügt, liest sich 'Verschwende deine Jugend' nicht nur in einem Zug durch, es ist zugleich DIE ungeschönte und drastisch derbe Wiedergabe jener schnellebigen Tage, die einem posthum noch die Haare zu Berge stehen lassen.
Inhaltlich führt das Buch von den Alkohol und fast-Drogenfreien Anti-hippie Anfängen über die Suche nach Anerkennung in eine einzige, hausgemachte Wolke von Gewalt, Antipathie und Misswirtschaft. Was zählte war der energetische Moment, das 'wir machen das jetzt so wie wir es wollen', dessen Knall sich einerseits im Punk, andererseits in neuen Formen des Umgangs mit der deutschen Sprache, respektive des Deutsch-seins überhaupt entlud. Schnell wurde klar, dass diese Haltung der Industrie um Jahre vorraus war und sich gleichzeitig eines immensen Zulaufes geballter Punknachahmer erwehren musste, was wiederum zu noch gröberer, reduktiver Härte bzw. Flucht in einen eckigen Anti-Popkosmos führte. Das, die Handlung der Epizentren Düsseldorf, Hamburg und Berlin und erste Hand Einsichten in historische Bezüge wie zum Beispiel die Reflexion der damaligen politischen Situation, macht das Buch nicht nur interessant, sondern sei all jenen die Bibel, die bis heute noch mit Punkattributen Musik machen wollen.
Dass sich jemand wie Jürgen Teipel an die Aufarbeitung der von der deutschen Medienlandschaft zunächst als kultureller Untergang bekämpften Ursuppe machte, bis heute aber nachhaltig die Macher der neuen Mediengeneration beeinflusst, ist allerdings ein Glücksfall. Teipel war Ende der 70ger und Anfang der 80ger selbst Herausgeber eines der vielen kleinen Untergrundfanzines, hier 'Marionett', und knüpfte früh Kontakte zu den ersten Gruppen der Zeit. Er organisierte in seiner Heimatstadt Regensburg Konzerte für Malaria, Wirtschaftswunder, Abwärts und die Toten Hosen, um einige weitesgehendst bekannte Bands zu nennen. Als Vertrauter und Freund vieler aus der Düsseldorfer Szene ist er sicher der richtige Mann, um noch die Brücke zwischen Zeit und Medium zu finden.
Wir waren in Berlin im Roten Salon, als wir Original Interview Ausschnitte aus dem Buch über 90 Minuten in Bild und Ton zu hörensehen bekamen. Der Raum war gut gefüllt, aber man blickte doch in eine etwas komische Mischung aus alternden Zeitzeugen, undefinierten Unzeugen, und irgendwas Studies. Hier durfte auf DDR Plastikstühlen noch einmal nachkonsumiert werden, was früher vorgelebt wurde. Einige Lacher brachen die lamentierenden Erzählsequenzen auf, der Tonfall der Originalstimmen zu hören war witziger als sie nur zu lesen, und die der Rede entsprechenden Bilder und Songs zu hören packend genug. Dagegen kann man noch heute getrost das ganze sogenannte Postpunk Sortiment in die Tonne tun.
Interessant aber auch zu erfahren wodurch die breite Auflehnung gegen die Langeweile und vor allem gegen die Popindustrie so schnell vereinnahmt und dadurch erstickt wurde. Dazu gibt es hier eindeutige Antworten. Zum Einen erkannte die Industrie sehr schnell das Potenzial, dass sich in kürzester Zeit mit Plagiaten unter dem Namen 'Neue deutsche Welle' verkaufen liess. Zum anderen hatten viele der Initiatoren von Punk in Deutschland einfach keine Lust bei der Industrie und damit wieder in den engen Grenzen von Markt und Marktanalyse zu landen.
Vielleicht hatten es auch nur die Wenigsten in Betracht gezogen irgendwie national und international erfolgreich zu sein. Tommi Stumpff (ex-KFC) setzte dem später ja noch seine einsame aber kräftige Parole 'Mich kriegt ihr nicht' drauf. Andere wie die Fehlfarben lösten sich eher schnell und schockiert auf, als sie merkten, in welchem Boot sie überhaupt sassen. Für die gelebte Freiheit dauerte es schließlich noch weitere 10 Jahre, bis auch sie in den oberen Etagen der heutigen Platten- und Produktionsfirmen ankommen war.
Einzig die Berliner, die sich sowieso stets jenseits von Gut und Böse wähnten, kochten quasi im Schutze der Mauer ihr eigenes Süppchen und liessen ihre Avantgarde gleich erfolgreich ins 'Ausland' exportieren. Dafür zählte man hier dann auch die meisten Drogentoten, oder zumindest Scheindrogentoten, die das 'Verschwende Deine Jugend' zu ihrem exsistenziellen Bestandteil machten.
Die letzte Bastion aber, der Godfather des Punk in Deutschland, jener Alfred Hilsberg, der mit seiner kleinen 'Neuestes Deutschland' Kolumne in der damaligen 'Sounds' den Ball hierzulande quasi allein anspielte, hatte es in der Hand, solange, bis eine letzte Welle an Rechnungen und Finanzamtsforderungen den 'Lieber zuviel als zuwenig' Veröffentlichungen ein problematisches Ende bereitete. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt, und so darf er sich sicher sein im Ruf zu stehen mehr erreicht zu haben als sämtliche wirtschaftlich kalkulierten Veröffentlichungen jemals zusammen: nämlich den Charme und Mut origineller Singles und LP's jeglicher Farbe als kulturelles Geschenk zu sehen, zu einer Zeit, wo man für's Scheisse aussehen noch gehörig was auf die Fresse kriegte.
Eine Leseprobe gibt es hier
Der Sound zum Buch:
Verschwende Deine Jugend
Titelliste
CD 1
01 Mittagspause: Testbild - Various
02 Mittagspause: Innenstadtfront - Various
03 Male: Risikofaktor 1:X - Various
04 Male: Zensur, Zensur - Various
05 S.Y.P.H: Zurück zum Beton - Various
06 S.Y.P.H: Industriemädchen - Various
07 S.Y.P.H: Lachleute & Nettmenschen - Various
08 Neonbabies: Eisenleer (Depressiv) - Various
09 Neonbabies: Blaue Augen - Various
10 Hans-a-plast: Man Of Stone - Various
11 KFC: Stumpf ist Trumpf - Various
12 Mittagspause: Herrenreiter - Various
13 Fehlfarben: Abenteuer & Freiheit - Various
14 Östro 430: Sei lieb - Various
15 Ede und die Zimmermänner: So froh - Various
16 Der Plan: Wir werden immer mehr - Various
17 DAF: Ich und die Wirklichkeit - Various
18 DAF: Kebabträume - Various
19 The Wirtschaftswunder: Ich liebe Metall - Various
20 Pyrolator: It Always Rains in Wuppertal - Various
21 Frieder Butzmann: Waschsalon Berlin - Various
22 Mania D.: Herzschlag - Various
23 Einstüzenden Neubauten: Zuckendes Fleisch - Various
24 Abwärts: Computerstaat - Various
25 Horst Herold: Wir kriegen sie alle - Various
CD 2
01 Der Plan: Da vorne steht `ne Ampel - Various
02 Andreas Dorau: Sehnsucht nach dem Osten - Various
03 The Wirtschaftswunder: Der Kommisar - Various
04 Die Radierer: Angriff auf`s Schlaraffenland - Various
05 Fehlfarben: Apokalypse (Ernstfall) - Various
06 Fehlfarben: Gott sei dank nicht in England - Various
07 KFC: Wie lange noch - Various
08 ZK: Dosebier - Various
09 ZK: In der Ecke stehen - Various
10 Freiwillige Selbstkontrolle: Was kostet die Welt - Various
11 Palais Schaumburg: Telephon - Various
12 Andreas Dorau & die Marinas: Tulpen und Narzissen - Various
13 Andreas Dorau & die Marinas: Fred vom Jupiter - Various
14 Krupps: Wahre Arbeit, wahrer Lohn - Various
15 Palais Schaumburg: Wir bauen eine neue Stadt - Various
16 Einstüzende Neubauten: Kalte Sterne - Various
17 Die Tödliche Doris: Sieben tödliche Unfälle im Haushalt - Various
18 Malaria!: Your Turn to Run - Various
19 Tommi Stumpff: Ich will gewinnen - Various
20 Pyrolator: 180° - Various
21 Liasons Dangerouses: Etre assis ou danser - Various
22 DAF: Verschwende Deine Jugend - Various
23 Xao Seffcheque: Happy New Wave - Various
24 Die Toten Hosen: Jürgen Engler gibt `ne Party - Various
Genre: Rock
Bitrate: 224 kBit/s
Year: 2002
3 Kommentare:
Danke für den Soundtrack meiner Jugend
und ganz besonders für die "elektrischen Zwerge".
Ich bin definitiv für den Soundtrack zum Buch, vielen Dank! :)
Teil 8 vom Film ist jetzt auch da. Sorry.
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