Bevor wir gleich wieder zur Musik kommen, wollte ich mal in Erinnerung bringen, dass diese Seite nicht nur alternative Musik vorstellt, sondern auch alternative politische Modelle!
Mich beeindruckt zur Zeit stark das, was in Venezuela passiert. Ich hab hier zwei aktuelle Artikel über Venezuela. Vor allem das Interview macht darauf aufmerksam, dass Hugo Chávez versucht die politische Macht zurück in die Hände der Basis zu geben und gleichzeitig das Mehrparteiensystem abbaut. Kritisch zu beobachten bleibt, ob dies wirklich zur Demokratisierung beiträgt oder ob die Befugnisse der Basis zurück gefahren werden und am Ende nur noch die PSUV als Einheitspartei bestimmt was passiert. Denn eins ist auch für mich als deutschen Kommunisten klar:
Kommunismus ohne Demokratie ist keine Alternative.
Über eine Teilnahme an der Abstimmung würde ich mich freuen.
"Die Macht soll an die Basis übertragen werden"
Autoritarismus oder mehr Demokratie: Was steht hinter der Vereinigten Sozialistischen Partei in Venezuela? Ein Gespräch mit Candelario Reina
Das Interview mit Candelario Reina, das wir im Folgenden dokumentieren, führte für die Tageszeitung "junge Welt" Harald Neuber.
Der Dramaturg Candelario Reina ist als Stadtteilaktivist in Caracas aktiv.
In den kommenden Monaten soll mit der Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV) die größte politische Gruppierung Lateinamerikas entstehen. Präsident Hugo Chávez will in der PSUV alle Parteien des Regierungslagers vereinen. Wie läuft der Prozeß?
Zunächst einmal stellt die bisherige Zersplitterung der Parteien des Regierungslagers eine der größten Schwachstellen im Kampf gegen die US-geführten Angriffe auf die bolivarische Revolution dar. Der Grund für diese Fraktionierung liegt im Wesen der repräsentativen Demokratie. Dadurch werden Machtkonflikte im Kern der Revolution, vor allem in den staatlichen Institutionen, gefördert. Die politische Struktur des venezolanischen Staates stützt sich nach wie vor auf die Prinzipien der bürgerlichen Demokratie: Profitmaximierung, Privateigentum, Bürokratie und Korruption. Das sind Regeln, die von derjenigen gesellschaftlichen Minderheit verteidigt werden, die an der Spitze der Parteien steht. Aus dieser Situation heraus wächst zunehmend eine innere Opposition gegen den Wandel in Venezuela. Aber mit der geplanten Gründung der PSUV hat auch eine tiefgreifende Debatte darüber an der Basis begonnen.
Doch auch Linksintellektuelle melden Bedenken an. Der Soziologe Edgardo Lander etwa hat die Art kritisiert, in der Chávez die Gründung der PSUV bekanntgegeben hat. Die Historikerin Margarita López sprach von einem »grauenhaften« Prozeß. Was ist an dieser Kritik dran?
Sie ist höchst repräsentativ für die venezolanische Intelligenzija, die – ob bewußt oder unbewußt – eine Trägerin der gescheiterten, aber immer noch dominanten westlichen Kultur in Venezuela ist. Sogenannte Intellektuelle wie López oder Lander kritisieren den Umbruch, weil sie die Kriterien verinnerlicht haben, die in den öffentlichen Universitäten – ein Refugium des alten Systems – vermittelt werden. Lateinamerika war schon immer ein gutes Beispiel dafür, wie bürgerliche Intellektuelle aus ihren Löchern kriechen, um den »american way of life« zu verteidigen, wenn sich ihre Völker gerade von ihm zu befreien versuchen.
Bislang haben sich immerhin 5,7 Millionen Anwärter in das Register der PSUV eingetragen. Ist das ein Automatismus, oder fühlen sich die Leute wirklich verpflichtet?
Ich halte solche Fragen für müßig. Wenn sich von 16 Millionen Wahlberechtigten 5,7 Millionen Menschen für eine Partei eintragen, dann spricht das für sich.
Aber warum weigern sich dann drei Parteien – die Kommunisten (PCV) und die sozialdemokratischen Gruppen Podemos sowie PPT –, in die PSUV einzutreten?
Wenn ich über die Gründe spräche, dann müßte ich auch auf die oppositionelle Rolle eingehen, die diese Parteien willentlich oder unbewußt spielen. Die Antwort ist daher einfach: PCV, PPT und Podemos wollen lediglich kosmetische Veränderungen, einen »humanen Kapitalismus«. Ich beziehe mich dabei auf die Parteiführungen, nicht auf die Basis.
Gibt es eine Gegenposition?
Auf der Gegenseite steht das Bündnis zwischen Hugo Chávez und den kommunalen Räten an der Basis. Der Präsident hat es bislang vermieden, sich mit den politischen Parteien einzulassen, in deren Strukturen er auch nicht verstrickt ist.
Die Regierung verteidigt die Gründung der PSUV als »Stärkung der Demokratie«. Wie kann die Demokratie gestärkt werden, wenn Parteien verschwinden?
Dieses Urteil bezieht sich auf den angestrebten bolivarischen Sozialismus und die Mitbestimmung der Basis. Die politischen und sozialen Basisbewegungen Lateinamerikas waren in Debatte und Aktion gegenüber den Parteien als Vertreter der repräsentativen Demokratie stets in der Defensive. Dieses Ungleichgewicht stand schon immer im Widerspruch zu den sozialen Bewegungen, dem wahren Motor der Veränderung. Was die Parteien angeht: Niemand wird gezwungen, in die PSUV einzutreten. Aber es gibt Parteibonzen, die es verstanden haben, sich als Opfer zu inszenieren. Tatsächlich geht es ihnen nur darum, an den alten Strukturen und Posten festzuhalten.
Wie wird sich die venezolanische Demokratie also verändern?
Die Gründung der PSUV ist eine Sternstunde auf dem Weg zum bolivarischen Sozialismus. Sie geht einher mit der Schaffung neuer bolivarischer Streitkräfte und einer Aufwertung der Beteiligung der Basisgremien am demokratischen Prozeß. Der Präsident selbst hat die Übergabe von Machbefugnissen an die Basis angekündigt. Und hier liegt der eigentliche Konflikt: In dem Maße, in dem der demokratische Wandel umgesetzt wird, verlieren die Parteien als zentrale Organe der repräsentativen Demokratie an Macht.
Und ideologisch?
In jedem Fall müssen PSUV und bolivarischer Sozialismus die Antithese zum herrschenden kapitalistischen System sein. Eine Koexistenz kann es nicht geben.
Aus: junge Welt, 13. September 2007Hugo Chávez
Von Ignacio Ramonet *
Wenige Regierende auf der Welt sind heute so sehr Zielscheibe hasserfüllter Meinungshetze wie Hugo Chávez, der Präsident von Venezuela. Seine Feinde schrecken vor nichts zurück, ob Staatsstreich, Ölförderstreik, Kapitalflucht oder Attentat. Seit den Angriffen Washingtons auf Fidel Castro hat es in Lateinamerika keinen derart verbissenen Kampf mehr gegen ein Staatsoberhaupt gegeben.
Seit Jahren werden Verleumdungen gegen Chávez in Umlauf gebracht. Sie entstehen in Propagandaküchen wie dem National Endowment for Democracy, dem Freedom House und anderen, von der Regierung des US-Präsidenten George W. Bush finanzierten Institutionen. Diese Maschinerie des Rufmordes verfügt über nahezu unbeschränkte Mittel zur Manipulation der Nachrichtensysteme – angefangen bei angesehenen überregionalen Zeitungen und bis hin zu einigen Menschenrechtsorganisationen, die sich für solche Zwecke einspannen lassen. In welch schlechter Verfassung der Sozialismus heute ist, erkennt man daran, dass auch Teile der sozialdemokratischen Linken in den Chor der Verleumder einstimmen.
Warum dieser grosse Hass? Während sich die europäische Sozialdemokratie in einer tiefen Identitätskrise befindet, ist Hugo Chávez durch historische Umstände offenbar eine führende Rolle bei der weltweiten Neugründung der Linken zugefallen. Auf dem alten Kontinent hat das Zusammenwachsen Europas bewirkt, dass Alternativen zum Neoliberalismus heute kaum noch denkbar, geschweige denn umsetzbar sind. Dagegen gibt es in Brasilien, Argentinien, Bolivien und Ecuador immer mehr Experimente, die dem venezolanischen Beispiel folgen und deren Erfahrungen der Hoffnung auf eine Emanzipation der armen Bevölkerung dieser Länder Nahrung geben.
In dieser Hinsicht ist die Bilanz von Hugo Chávez in der Tat aussergewöhnlich und erklärt auch, warum er in Dutzenden Länder zu einer festen Bezugsgrösse geworden ist. Unter gewissenhafter Beachtung demokratischer Prinzipien und Freiheiten (1) hat er sein Land auf eine neue politische Grundlage gestellt und eine Verfassung geschaffen, mit der auch die breite Masse am Wohlstand teilhaben kann. Er hat rund fünf Millionen Ausgegrenzte in die Gesellschaft integriert, darunter viele Indigene, die bisher nicht einmal ihre Staatsbürgerschaft nachweisen konnten. Chávez hat die Kontrolle über die staatliche Aktiengesellschaft Petroleos de Venezuela SA zurückgewonnen, sowie das wichtigste Telekommunikationsunternehmen CANTV, den Stromversorger Electricidad de Caracas und die Ölfelder im Orinoco-Becken verstaatlicht. Er hat auch einen Teil der Öleinnahmen dafür verwendet, seinem Land mehr Unabhängigkeit gegenüber den internationalen Finanzinstitutionen zu verschaffen – und mit einem anderen Teil umfangreiche Sozialreformen finanziert.
Mehr als drei Millionen Hektar Ackerland wurde unter den Bauern verteilt. Millionen Erwachsene und Kinder haben Lesen und Schreiben gelernt. Tausende Apotheken wurden in den armen Stadtvierteln eröffnet. Zehntausende Arme mit Augenkrankheiten wurden gratis behandelt und operiert. Grundnahrungsmittel werden subventioniert und an die Armen um Preise verkauft, die deutlich unter dem Marktniveau liegen. Die wöchentliche Arbeitszeit ist von 44 Stunden auf 36 Stunden gesunken, und der Mindestlohn liegt mit umgerechnet rund 320 Franken im Monat heute als einer der höchsten in ganz Lateinamerika knapp hinter dem von Costa Rica.
Als Folge dieser Massnahmen ist die Armutsrate in Venezuela zwischen 1999 und 2005 von 42,8 Prozent auf 33,9 Prozent gesunken (2). Der Anteil der Bevölkerung, die von der Schattenwirtschaft lebt, sank ebenfalls von 53 Prozent auf 40 Prozent. Der Rückgang der Armut hat ein Wirtschaftswachstum gestützt, das in den letzten drei Jahren durchschnittlich 12 Prozent betrug, eine der höchsten Raten der Welt. Sie verdankt sich unter anderem einem heimischen Konsum, der jährlich um bis zu 18 Prozent zulegte (3).
Angesichts dieser Ergebnisse und einiger aussenpolitischer Erfolge ist es deshalb kaum verwunderlich, dass die Herrschenden dieser Welt Präsident Hugo Chávez auf ihre Abschussliste gesetzt haben.
Anmerkungen
* Aus: Le Monde diplomatique, August 2007; Beilage in der Schweizer Wochenzeitung WOZDieser Beitrag des Chefredakteurs von "Le Monde diplomatique" erschien auf Französisch, Englisch, Esperanto, Farsi und Portugiesisch, allerdings nicht in der in Berlin erscheinenden monatlichen Beilage der Tageszeitung taz. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass die Auswahl der Artikel in der deutschen Ausgabe von der anderssprachiger Ausgaben abweicht. Z.B. sind einige Fälle erinnerlich, wo israelkritische Beiträge nicht ins Deutsche übersetzt wurden. Ungewöhnlich ist es aber, wenn auf einen Leitartikel des Chefredakteurs verzichtet wird. Ob das daran liegt, dass sich Ramonet zu eindeutig auf die Seite des venezolanischen Präsidenten Chávez schlägt, während die taz keine Gelegenheit auslässt, dem "Linkspopulisten" aus Caracas etwas am Zeug zu flicken, kann nur gemutmaßt werden. Wenn es so wäre, zeugte es aber von geringer Souveränität und Toleranz eines angeblich immer noch etwas "alternativen" Blattes.
Die taz hat aber eine nicht von der Hand zu weisende andere Erklärung. Im Editorial zur deutschen Ausgabe schrieb sie:
"In der deutschen August-Printausgabe von Le Monde diplomatique ist das Editorial von Ignacio Ramonet über Hugo Chavez nicht erschienen, weil es damit ein Aktualitätsproblem gab: Vor dem Erscheinen der deutschen Ausgabe, aber nachdem Ramonet sein Editorial geschrieben hatte, wurden die jüngsten Verfassungsänderungen in Venezuela breit debattiert. Auf diese geht Ramonet gar nicht ein - was in unseren Augen unerlässlich gewesen wäre. Wir wollen als deutsche Ausgabe einer linken Monatszeitung die in Venezuela erzielten sozialen Fortschritte wahrlich nicht unter den Teppich kehren (und planen für unsere Septemberausgabe einen ausführlichen Beitrag zu dem Thema)."
Nun, der besagte Artikel von Ramonet erschien in der Schweizerischen Ausgabe von "Le Monde diplomatique" - auf Deutsch, nämlich in der Schweizer Wochenzeitung "WOZ".
Blue Angel
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Under Anything Goes I will be sharing anything I think worthwhile that does
not fall under one of the other categories. Examples are book covers, song
...
vor 17 Stunden
2 Kommentare:
Es ist doch kein Wunder, das gerade die U$A gegen sämtliche Versuche sind, in ihrem "Vorhof" alternative Gesellschaftssysteme zu etablieren. Man dar gespannt sein, wie dieses Experiment weitergeht.
viva chavez!
aktuelle information zu der bolivarischen revolution findet man immer hier:
http://www.venezuela-aktuell.de
http://www.amerika21.de
http://www.venezuela-info.net
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