Es gibt viele Wege, auf denen junge Sängerinnen Bekanntheit erlangen können. Einen mit Sicherheit nicht alltäglichen hat die britisch-georgische Sängerin Katie Melua gewählt: Sie sang - sonst nichts. Und trotzdem schafft es die 23-Jährige seit ihrem ersten Album „Call Off The Search“ regelmäßig an die Spitze der schwer zu enternden britischen Charts. Nachdem sie zuletzt mit einem Konzert in Rekordtiefe von über 390 Metern im Meer für Furore sorgte, liefert sie jetzt nach zwei turbulenten Jahren über dem Meeresspiegel mit „Pictures“ ihren dritten Longplayer ab.
Als Katie Melua vor zwei Jahren auf Promotion-Tour nach Wien kam (siehe Archiv-Interview in der Infobox), fanden sich gerade einmal zwei Privatsender und eine Hand voll Journalisten, die mehr schlecht als recht wussten, was sie erwartete, im Jazz-Club „Reigen“ für ein halbstündiges Unplugged-Konzert ein. 2007 zog Katie Melua Japan als Reiseziel vor und der Reigen erspart sich somit den Dachausbau, denn der Ansturm wäre mit Sicherheit enorm gewesen.
Die 23-jährige Britin mit georgischer Doppelstaatsbürgerschaft hat seit ihrem Zweitling „Piece By Piece“ aber nicht nur den Ozean erobert, sondern auch eine beachtliche Check-Liste an musikalischen Highlights und Nebentätigkeiten zusammgetragen: Sie spielte mit ihrem Idol Brian May von Queen, trat bei „Live Earth“ auf, wurde Botschafterin der Wohltätigkeitsorganisation „Save The Children“ und absolvierte ihre erste Statistenrolle in einem Hollywood-Film. Melua, die privat als Energiebündel mit einem Hang zu Achterbahnen und Schleudersitzen gilt, ließ sich in dem Trailer „Don’t!“, der die beiden Grindhouse-Movies von Quentin Tarantino („Death Proof“) und Robert Rodriguez („Planet Terror“) thematisch verbindet, von einem Axtmörder den Schädel spalten.
"Schocking!" Die entzweite Melua ist doch krasser Gegensatz zum Image der gefühlvollen, stets nach pefekter Liebe und romantischen Abenteuern suchenden Sängerin, wie sie sich auf ihren Alben gibt. Obwohl auch diese vor einem Wandel steht: Mit „Pictures“ entfernt sich Katie Melua nämlich zunehmend von ihrem musikalischen Ziehvater, dem britischen Produzenten und Multiinstrumentalisten Mike Batt, der auf ihren letzten beiden Alben „Call Off The Search“ und „Piece By Piece“ noch großen Einfluss auf die gebürtige Georgierin („Ketevan Melua“) hatte und einen Großteil der Songs schrieb.
Zwar stammen „immer noch“ fünf der zwölf Tracks aus der Feder des 58-Jährigen, der schon für Oldie-Legende Cliff Richard komponierte und neben Vanessa Mae auch das Streicherinnen-Quartett „Bond“ produzierte – aber die 1,56 Meter kleine Sängerin hat auch in fremden Obstgärten Süßigkeiten gefunden: Für das jazzig-geschmeidige „Perfect Circle“ sprang die um drei Jahre jüngere Molly McQueen (Tochter von Midge Ure und Sängerin der Punkband „The Faders“) ins Boot, mit der australischen Schauspielerin Andrea McEwan schrieb sie den Lovesong „What I Miss About You“ und das mit einem lässigen Tex-Mex-Groove ausgestattete „Dirty Dice“.
Die erste Single-Auskopplung ist „If You Were A Sailboat“, einer der fünf Batt-Songs und eine klassische „Melua-Ballade“, wie man die von zarten, fast schon kitschig-einfachen Fingerpicking-Patterns und zum Wohle stimmlicher Präsenz von zurückhaltender Instrumentierung geprägten Songs nach Erfolgen wie „Nine Million Bicycles“ und „It’s Only Pain“ getrost nennen darf. Bis auf das bluesige und von Katie Melua mit ungewohnt verruchter Stimme dargebrachte „Scary Films“ setzt sich die Gemächlichkeit auf den weiteren Batt-Stücken fort und bildet solide, aber doch etwas unaufregende Plateaus, auf denen man beim entspannten Durchhören von „Pictures“ auch mal ein Schönheitsschläfchen halten kann.
Die einzige gänzliche Melua-Eigenkomposition „Spellbound“ nimmt man mit einem zufriedenen Grinsen wahr – der Song ist verträumt, verspielt und spürbar von einer anderen Seele gezeichnet. Auch auf dem Piano-Reggae „Ghost Town“ (Melua/Batt) offenbart sich eine konkrete Handschrift, die zwar leicht zu entziffern ist, aber dennoch mit elegant-unaufdringlicher Vehemenz das bleiche Notenblatt füllte. Die herausragenden Songs sind ohne Zweifel „Perfect Circle“, das mit wohldosierten Text-Hooks (the more you scratch / the more you itch) verwöhnt und einfach nur „smooth“ ist, und - neben dem bereits erwähnten „Dirty Dice“ - das abschließende Leonard-Cohen-Cover „In My Secret Life“. Ähnlich wie sie es auf „Piece By Piece“ mit dem Canned-Heat-Klassiker „On The Road Again“ tat, bekommt auch der erst 2001 erschienene Cohen-Song einen unverwechselbaren Neuanstrich - sprich: eine Oktave extra und dieses unvergleichlich vibrierende Beben von Meluas Stimme, wenn sie sich plötzlich, eine Gänsehaut provozierend in die höhere Stimmlage schwingt.
Die songschreiberischen Veränderungen (Steigerungen) auf „Pictures“ als bloßes Produkt des Erwachsenwerdens der ehemaligen Castingshow-Gewinnerin zu beschreiben, wäre aber fast zu lax. Viel eher ist es berufliche Emanzipation. Wer in mittelärmlichen Verhältnissen in der Sowjetunion aufwuchs, mit neun und nichts außer „Hello“ und „Thank you“ nach England emigrierte und dann mit 22 bei seiner Plattenfirma durchsetzen konnte, dass der gesamte Reinerlös einer Single-Auskoppelung („Spider’s Web“) einem Charity-Projekt zu Gute kommt, dem sollte man nicht einmal indirekt unterstellen, er hätte bei den beiden Alben davor nicht ganz gewusst, wo’s lang geht. Mit der Platte nach „Pictures“ soll übrigens Schluss sein mit Batt/Melua-Kollaborationen.
Pictures
Blue Angel
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vor 13 Stunden
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