Die Musiker Ammer/Einheit, bekannt durch ihr Mitwirken bei der Berliner Formation "Einstürzende Neubauten", erschaffen in einem Rahmen der Klangcollage eine ganz besondere Art des Sprachsamples. Textfragmente der drei Persönlichkeitsxtreme der deutschen Geschichte, Kaiser Wilhelm, Adolf Hitler und Ulrike Meinhoff werden subtil zu einer "Klangoper" verbunden. Darunter gemischt finden sich musikalische Elemente, vom jüdischen Gesang bis zu Kraftwerks Trans Europa Express, und vermitteln so einen unvergleichlichen, bis dahin nie gehörten Klang eines ausgewählten Ausschnitts des deutschen Gechichte. Perfekt werden hier Ausschnitte politischer Rede gegen Textfragmente der Gegenbewegung gesetzt und erzeugen so ein Gefühl für die Brutalität des gesprochenen Wortes - Eine Klangcollage der besonderen Art.
mab-x-music.com
Mit "Deutsche Krieger (Kaiser Wilhelm Overdrive, Adolf Hitler Enterprise & Ulrike Meinhof Paradise)" wagen sich Ammer und Einheit an die jüngste deutsche Geschichte heran, die unter ihner Händen zu einer kritisch subversiven Pop-Historienoper wächst. In den Chefetagen der groβen Rundfunksender zeigt man aufgrund des spielerischen Umgangs mit der deutschen Geschichte und der daraus angeblich erwachsenden politischen Brisanz wenig Verständnis für "Deutsche Krieger" und sendet die Rock-Oper folglich nicht.
.... radikal ist die Montage von historischem Tonmaterial in der Tonträgeroper Deutsche Krieger von Andreas Ammer und FM Einheit. Tondokumente sind technisches und propagandistisches Material, lautet die Botschaft. Und genau diesen fremden und konstruierten Charakter legt die Oper frei: Keine Chance, alle Worte aus den Zeiten Kaiser Wilhelms zu verstehen. Rauschen wird nicht unterdrückt, sondern zum Rhythmus erhoben, Wortschnipsel konstruieren nicht einen Kontext, sondern springen zwischen Herrscherrhetorik und Lyrik der Zeit hin und her. In Wiederholungsschleifen ertönt verzerrt der Ruf: "Jeder Schuss ein Russ, jeder Stoß ein Franzos", begleitet vom fremdländisch klingenden "Hurra, Hurra". Im zweiten Teil: Das Radio als Propagandaapparat auf seinem Höhepunkt in der Nazi-Zeit. Grausliche Lügen und bellende Reden, die noch fremder und erschreckender klingen vor der Geräusch- und Klangkulisse, die die drei Opernelemente zusammenhalten. Im letzten Teil, Ulrike Meinhof Paradise sind es denn schon fast zu viele und zu laute Geräusche, vor denen sich die Anti-RAF-Floskeln mit den Aussagen der Meinhof vermischen. Das klingt anstrengend und ist doch eine ziemlich genaue Vertonung dessen, was eingangs über das Material in den Archiven gesagt wurde: Eine unüberschaubare Masse, deren Inhalt von politischen Interessen bestimmt ist, und deren Klangqualität ebenso auf die Geschichte verweist wie die Ordnung, in die wir heute dieses Material bringen.
freitag.de
Deutsche Krieger
Genre: Hörstück
Bitrate: 192 kBit/s
Year: 1996
Blue Angel
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Under Anything Goes I will be sharing anything I think worthwhile that does
not fall under one of the other categories. Examples are book covers, song
...
vor 17 Stunden
4 Kommentare:
Hallo Likedeeler,
kleine Berichtigung zu mab-x-music: So weit ich weiß, war Andreas Ammer nie bei den Neubauten, sondern (laut Wikipedia) Dozent an der Münchner Uni, bevor mit FM Einheit in die Hörspielproduktion eingestiegen ist. Das nur, um micht als Klugscheißer zu outen.
Ansonsten bin ich gespannt auf Reaktionen. Ich hatte dieses Album vor ein paar Wochen ja auch gepostet, und wollte mal ein bisschen die Frage angestoßen, inwiefern Ulrike Meinhof von Ammer/Einheit anders behandelt wird als die beiden Herren...
Und zu guter letzt noch der obligatorische Hinweis auf die vielen schönen Sachen, die's von Ammer auf dem ubuweb gibt...
Liebe Grüße
sorry spring day!
hab ich nicht mitbekommen, dass du die hattest, sonst hätte ich einfach einen backlink zu dir gesetzt.
interessant finde ich, bezug auf die meinhof stücke nehmend, dass hier auch stark die anti-baader-meinhoff-hysterie rüberkommt. insofern hast du recht. wo sind hier die wahnsinnigen krieger zu suchen? bei der baader-meinhof-bande oder bei der berichterstattung. die raf-anfänge sind sowieso sehr interessant, wenn man sie im zeitlichen zusammenhang der frühen siebziger sieht.
im nachhinein betrachtet fällt mein urteil klar aus: es war ein falscher weg. aber damals in der situation der siebziger? und meinhof nahm meiner meinung nach auch noch einmal eine intelektuelle sonderrolle in der bande ein. bezüglich der anderen mitglieder muss man sich auch immer an die eigen nase packen. mit 25, so alt war baader bei den ersten kaufhausanschlägen, war ich auch noch oft den militanten antifas zugeneigt. und dann, nach so einer aktion, abgestürzt in die illegalität, wird, glaub ich, vieles ein selbstläufer.
Neenee, Du, das ist schon gut, dass Du das selbst gepostet hast. Die Bilder, die Du hier eingefügt hast, sind erste Sahne, und Dein Text ist auch schöner als meiner (und außerdem durch die Wahl der Sprache eine andere Zielgruppe).
Du hast Recht, im bezug auf Meinhof Hysterie auf beiden Seiten. Aber ich finde, Ammer/Einheit sind auch ambivalent gegenüber der Opferrolle, die Meinhof entweder echt gefühlt oder nur gespielt hat, das weiß ich nicht. Immerhin bekommt sie in diesem Hörspiel die Möglichkeit, den Satz mit dem ins Hirn gepressten Rückenmark wiederholt zu sagen.
Ein Problem, was ich mit der RAF habe, ist nicht nur die Gewaltverwendung, sondern auch das Gefühl, dass die eigentlich gar nicht wirklich wussten, was nach der Zerschlagung des kapitalistischen Staates kommen soll. Den Glauben, dass allein die Zerschlagung selbst ausreichte, um die Menschen anschließend quasi automatisch einer glücklichen Zukunft zuzuführen, halte ich für reichlich naiv. Auch wenn das Wort stark negativ belastet ist... Ich glaube schon, dass der Mensch zur Besserung eine Art Umerziehung brauchen wird.
Ammer war nie bei den Neubauten, Einheit ist es schon seit längerem nicht mehr. und in dem Stück geht es weniger um die realen Personen (Wilhlem, Hitler, Meinhof), sondern hauptsächlich um dass, was die medien von ihnen hinterrlassen haben. Im ersten Weltkrieg sind das kriegstreiberische Grammophonplatten, im zweiten Hetzreden und im RAF-Krieg Fetzen aus Fernsehsendungen. Eigentlich macht das alles Angst.
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