Was soll ich in diesem Fall machen.
Eine relativ unbekannte deutsch singende Band, die über ein relativ kleines Label veröffentlicht. Eigentlich wollte ich diesen Bands und Labels eine Schonfrist von 6 Monaten geben. Wenn jedoch ein Scenerelease auf dem Markt ist, was soll ich da tun?
Ich bleib dabei: labelfriendly!
Aber die Mühe machen und eine schlechte Qualität zur Verfügung zu stellen, ist mir dann doch zu viel Aufwand. Wer sich das wirklich großartige Werk von Festland anhören möchte, soll sich selbst auf die Suche machen, oder Ende September über diesen Post noch mal nachfragen.
Achja, bezüglich relativ unbekannte Band und relativ kleines Label bleibt zu sagen, bei Festland handelt es sich um das aktuelle Projekt um Thomas Geier (Die Regierung) und das Label ist ZickZack (Heroen der NDW) über what's so funny about
HÜBENER: Das Trio Festland aus Essen macht einerseits geradlinige Discorockmusik und andererseits Tanzpop auf Basis von immer wieder Ska- und Reggae-Rhythmen. Dazu singt Schlagzeuger und Sänger Thomas Geier Texte seines Malerfreundes Fabian Weinecke, die eine stete Balance zwischen Melancholie und Skurrilität wahren. Geier skandiert nicht, er singt mit sanfter Nicht-Stimme. Da der Impuls zum Weghören groß ist, wenn jemand schreit, fordert, drauflosappelliert – wie etwa bei den Blumfeld der Vor-Schlager-Phase, bei Tocotronic, bei den Fehlfarben mit Peter Hein als Sänger –, ist der eher stille Gestus von Festland so erfreulich. These: Mit sanfter Stimme gesungene Krassheiten sind wirkungsvoller als mit krasser Stimme gesungene. Wenn Festland vor vier Jahren im Stück »Wehtun« auf ihrem Debütalbum »An euren Fenstern wachsen Blumen« sangen: »Ich möchte in einer Welt leben ohne Faschisten«, dann klingt das noch heute beim Wiederhören so ungewohnt, weil hier keine Wut, sondern lediglich eine völlig private Art von Trauer, Sehnsucht und ästhetischem Widerwillen zu spüren ist. So würde auch Neil Tennant diese Texte singen.
DAX: Blumen als Metapher für einen Zugang zu großen Fragen, die immer dann berühren, wenn neue, einfache Worte gefunden werden, um sie zu stellen: »Warum?«, singt Geier, »Niemand sagt warum? Niemand weiß warum müssen alle Blumen sterben / Warum müssen wir Menschen sterben / Ich hab’ noch nicht genug gesehen«.
HÜBENER: Das neue Album ist noch dynamischer, baut Tanznummern aus Steve-Reich-Samples und entfaltet Impressionen aus der Sicht einer zwar wehmütigen, oft traurigen, aber immer lebensbejahenden Subjektivität. Für Gebrochenheit sorgt, dass es nicht die Subjektivität des Sängers ist. Für die Durchhörbarkeit sorgt, dass die Texte ihren Weg finden zwischen der Scylla der an Belästigung grenzenden hypersubjektiven Befindlichkeitsprosa à la Tomte und der Charybdis des immer auch anstrengenden, überdistanzierten collagierten Zitatpops.
KRÄMER: Scylla hin, Charybdis her! Die Samples von Steve Reich dürften wohl (auch) aus dessen Werk »City Life« stammen. Also Stadt, also Sehnsuchtsort, also Essen? »Die Welt verbrennt in Liebe, zu Asche, zu Staub, zu Kohle« singen Festland. Gegen diese Wortmacht kann Grönemeyer mit seiner in Essen uraufgeführten Kulturhauptstadt-Hymne »Ich sag nur, komm zur Ruhr«, die ja nichts als einen kleinsten gemeinsamen Nenner darstellt, so was von einpacken! Und soweit man sieht, begreifen sich Festland auch nicht als Teil des sonstigen Ruhrpott-2010-Rummels, eher schon als rote Erde, als fester Bestandteil. Immer wieder thematisieren sie hier einflüsternd, gelassen und wirkungsvoll »die Stadt« und »meine Stadt«. Das muss so wenig Essen sein, wie ein Ich-Erzähler immer der Autor ist, aber der Rhythmus, die Melancholie, der Witz decken sich schon sehr mit Erinnerungen und Bildern, die man so über die Jahre von Essen und Umgebung angesammelt hat. In dem Song »Tannhäuser Tor« scheint Kraftwerks »Trans Europa Express« mit den Filmen Adolf Winkelmanns zu einer archetypischen Wave of Sound zu verschmelzen. Und der eröffnende Hit-Track »Irres Gleis« baut die Brücke von Ulf Krügers »Dr. No«-Minimalismus von 1989 zu Woody Guthries Autobiografie »Bound for Glory« aus dem Jahr 1943: »Und so reisen wir auf Güterzügen durch das ganze Land, und besuchen lauter Städte, die uns bis dahin unbekannt«. Wer’s hört, wird selig.
HÜBENER: Selig macht in der Tat die wundervolle Unangestrengtheit der Texte. Das Stück »Es gibt keinen Weg« etwa erzählt von der Unmöglichkeit, sich selbst und der eigenen Perspektive zu entkommen. Man sieht keine Dinge, sondern es erscheinen einem immer nur – je individuelle – Phänomene. »Es gibt keinen Weg heraus aus meinem Kopf / Was ich auch seh’, ist alles in meinem Kopf / Ich möchte so gern mit and’ren Augen seh’n / Die Welt wär’ dann sicher viel schöner anzuseh’n«. Hier werden Immanuel Kant, die Sehnsucht der Romantik und auch die Grenzen der Liebe zusammengedacht – mit ganz undeutscher Leichtigkeit. Keine zweite Band klingt wie Festland, und trotzdem ist nichts von einer Originalitätsanstrengung zu hören. Auf ihrer MySpace-Seite zitieren sie unter der Rubrik »Einflüsse« aus Célines »Reise ans Ende der Nacht« – das tun nur die Besten.
Die nächsten Live-Termine
Fr. 18.06.10 Leipzig, Ilses Erika
Mo. 21.06.10 F-Paris, Fête de la Musique
Fr. 25.06.10 Köln, Subway (c/o pop Festival)
Sa. 03.07.10 Duisburg, Landschaftspark (Traumzeit Festival)
Do. 30.09.10 Hamburg, Uebel & Gefährlich (mit School of Zuversicht)
Sa. 09.10.10 Köln, Coco Schmitz
3 Kommentare:
Ich will ja nicht lästern, aber das Album erschien bereits am 19. März!
Will ja auch nicht zurücklästern, aber:
3. Monat + 6 Monate = 9. Monat.
19. ist der zweiten Monatshälfte, also Ende des Monats.
Deswegen: Ende September (oder irgendwann in der zweiten Hälfte des 9.Monats) *lach*
Also, jetzt aber!
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