Zugegeben, Ihre Anfänge waren grausam. In den 80ern trällerte Joe Le Taxi immerzu nervend aus allen Radios. Wobei auch schon der dazugehörige Longplayer schön anzuhören war.
Sieben Jahre sind seit der Veröffentlichung von Bliss, ihrer letzten LP, vergangen – doch nun meldet sich Vanessa Paradis endlich mit ihrem neuen Album zurück: Divinidylle wird hierzulande am 26. Oktober erscheinen.
Unter dem „Sternzeichen der Musik“ geboren, zeugt das kommende Album noch deutlicher von Vanessas Wunsch, das Songschreiben, die eigentliche Geburt der Songs selbst in die Hand zu nehmen. Um das zu realisieren, hat sie ihre „musikalische Familie“ um sich versammelt: -M- (bürgerlich Matthieu Chedid), Patrice Renson, Albin de la Simone, Jérôme Goldet und Olivier Lude. Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist ein deutlich am klassischen Rock’n’roll orientiertes Album, auf dem aber auch immer wieder schwärmerische Grund- und Obertöne durchschimmern. (Zu weiteren Gast-Songwritern zählen u.a. Franck Monnet, Thomas Fersen und Brigitte Fontaine).
Man wird das neue Klangabenteuer, das vor einigen Monaten im Studio begann, darüber hinaus noch in diesem Jahr in voller Pracht erleben können, denn eine Tour zur Albumveröffentlichung ist bereits bestätigt: Ab dem 26. Oktober wird Vanessa Paradis mit dem gesamten „Album-Team“ auf Tournee sein!
Aus der Ferne betrachtet, von Weitem, im Radio, auf dem Bildschirm, oder vielleicht sogar in einer Bar – man hat sie schon oft erleben können. Sie ist ein Traum, keine Frage. Aber wer ist diese Frau wirklich?
Eine Stimme, eine Ikone. Vanessa Paradis zieht Menschen in ihren Bann.
Die Stationen einer einzigartigen Karriere: Roda-Gil/Langolff, Gainsbourg, Kravitz, dann kam Bliss, so vertraulich und freizügig zugleich... Sie hat kein Karriererisiko gescheut, hat grandiose Erfolge geerntet und immer wieder mit gewagten Entschlüssen überrascht.
Und nun ist sie mit ihrem fünften Album zurück. Nach sieben Jahren – eine kleine Ewigkeit ist seither verstrichen. Divinidylle, ein Titel, der Worte kombiniert – Göttliches, Idyllisches –, mit ihnen spielt; und selbst eine Melodie zu singen scheint.
Warum? „Warum nicht?“, so Vanessas smarte Antwort.
Sie macht ihren Rundgang, klopft bei alten Freunden an. Schließlich sollte die Arbeit an der neuen Platte in erster Linie Spaß machen. Nun gut, es war auch harte Arbeit, sicherlich, aber nur im Kreis der engsten Vertrauten. Das Talent und der Mut – unzertrennlich.
Ganz oben auf ihrer Liste: Matthieu Chedid (alias -M-). Wie nicht anders zu erwarten. Sie hatten schon für Bliss gemeinsam an dem einen oder anderen Song gearbeitet. Das perfekte Team.
Dieses Mal fungiert Matthieu zugleich als Produzent, Komponist, Gitarrist und Sänger.
Vanessa dazu: „Ich kann mich noch genau an unsere erste Session erinnern: eines Abends, es war noch 2005, präsentierte Matthieu mir ein Arrangement eines Songs, den ich geschrieben hatte. Es fühlte sich unglaublich an – eine regelrechte Offenbarung! Dann verbrachten wir auch den kommenden Abend im Studio; Frank Monnet schaute vorbei und schrieb zwei Texte in kürzester Zeit. Und plötzlich war es nicht nur eine Melodie, irgendeine Musik, sondern ein greifbarer Song, den wir da hörten. Das war einer dieser magischen Abende, die kein Ende zu nehmen scheinen. Und an dem Abend habe ich auch zu Matthieu gesagt, dass wir ein Album zusammen aufnehmen müssen. Nach diesem Entschluss hatte ich jede Menge zu tun – ich war anderthalb Jahre lang konstant beschäftigt, und meistens in Los Angeles.
Auch insgesamt muss ich sagen, dass das gesamte Projekt unter den bestmöglichen Bedingungen begann: So arbeiteten wir z.B. zehn Tage durch, hochkonzentriert, legten dann eine zweimonatige Pause ein, um mit neuer Energie in die zweite Runde zu gehen. Auf diese Weise konnten wir zwischendurch auch immer genügend Abstand gewinnen. Und dann darf man nicht vergessen, dass es auch noch einen Faktor gibt, den ich immer als `das Entzugs-Syndrom´ bezeichne. Als wir dann nämlich wieder zusammentrafen, um die nächsten Aufnahmen zu machen, war so viel Energie im Raum, wir waren so wahnsinnig glücklich – und es hat einfach nur Spaß gemacht, gemeinsam an diesem Projekt zu arbeiten.“
Zusammen. Mit Matthieu – und mit der gesamten Band:
Patrice Renson am Schlagzeug, Jérôme Goldet am Bass und Albin de la Simone am Keyboard. Das Album entstand zu weiten Teilen im „Labo M“-Studio in Paris. „Zu Beginn haben wir in vielerlei Hinsicht einfach nur alles rausgelassen. Wir haben uns gehen lassen, haben jede nur erdenkliche Richtung eingeschlagen und einfach nur Dinge ausprobiert. Dabei war es perfekt, dass wir uns schon von früher kannten: Wenn man nämlich mit Leuten arbeitet, die wissen wie man tickt, gibt es eigentlich keine Hemmschwelle mehr, die man erst überwinden muss. Wir waren wirklich absolut offen im Umgang miteinander und haben uns an die unterschiedlichsten Klangexperimente herangewagt. Auch Egoprobleme gab es nicht, denn die Musik stand stets im Mittelpunkt – das war jedem einzelnen klar.“ Das berühmte „Sich-Gehen-Lassen-Prinzip“ also, ein alter Favorit von Matthieu. Sein Markenzeichen, wenn man so will. Dem Instinkt den Vorrang einräumen. Lass dich gehen. Schließlich sind wir hier unter Freunden. Dann kam die Zeit der Besinnung, des Betrachtens und Sacken-Lassens. Dann die Produktion, das Abmischen. Unterm Strich kamen fünfzehn Songs dabei heraus – elf davon sind auf dem Album gelandet.
Elf Vignetten. Allerdings steckt noch mehr hinter diesen Skizzen, als mit dem bloßen Auge zu erkennen ist. Die Texte sind durch und durch französisch. Die Musik – nun, das ist ein Kapitel für sich. Sagen wir so: Wir haben sowohl den Ärmelkanal als auch den Atlantik überquert. Ohne dabei jemals auch nur einen Fuß außerhalb der Stadtgrenzen von Paris zu setzen.
„Divine Idylle“, die Single (man beachte die Schreibweise), ist eine Reise, die einen zurück in die Zukunft führt: Mitten ins Herz der Sechziger, wenn es mit einem Echo der Temptations losgeht: Händeklatschen, ein dicker, runder Bass-Sound, dazu Matthieus eindrucksvolles Gitarrenspiel – Elemente, die sich gemeinsam zu einem absolut zeitgenössischen Rock’n’roll-Song verbinden. Kurzum: Drei Dekaden Musikgeschichte in nur drei Minuten.
„Chet Baker“ – mit einem Text von Jean Fauque. Dieser Song war schon nach einer halben Stunde im Kasten. Ein Song, der einen irgendwie sogar die eigene Traurigkeit akzeptieren lässt. Mit einer positiven Grundstimmung, dem Wissen, dass das Leben doch immer gewinnen wird – und vielleicht ja schon im nächsten Moment, in einer Minute! Eine federleichte Melodie. Dazu Tränen, gewiss, aber nichts weiter Tragisches.
„Les Piles“ (Text und Musik von Thomas Fersen) – ist ein Duett von Vanessa und Matthieu. Die erste Assoziation wäre wohl der Name Iggy Pop (etwa mit „The Passenger“), wie er gutmütig seinen ausgeprägten Hang zur Trägheit geltend macht. „Letztendlich ist dieser Song ein Moment absolut reinen und unverfälschten Müßiggangs. Als mir Thomas die Rohversion rüberschickte und ich mir den Song zum ersten Mal anhörte, konnte ich mir das Lachen nicht verkneifen – ich wusste sofort, dass ich diesen Song singen musste! Schließlich ist es manchmal ja so, dass man unbedingt etwas singen will, das eigentlich meilenweit vom eigenen Leben entfernt ist; den absoluten Gegensatz, wenn möglich. Und natürlich muss ich eingestehen, dass auch ich hin und wieder mal einem Anfall von Trägheit erliege... ja, besonders dieses Sofa hier ist überaus gemütlich. Das fühlt sich manchmal schon sehr, sehr gut an. Manchmal.“
Ein Element sticht jedoch auf Albumlänge immer wieder heraus: Die einzigartige Stimme von Vanessa Paradis. Sie ist inzwischen weitaus mehr als nur zuckersüß. Im Gegenteil: Sie kann auch ungemein kräftig sein. Sie begibt sich mehr denn je in vergleichsweise tiefere Tonlagen. Was gut ist. Sehr gut sogar. Dazu bezieht ihre Stimme die nötige Energie aus der Gruppe. Es ist eben ein echtes Pop-Album. Zurück zu den Wurzeln, kein Schnickschnack, dafür mehr geheimnisvolle Elemente.
„Dès Que J’Te Vois“ – ist ein ausgelassner Song, eine Nummer für die Tanzfläche. Dahin treibt einen schon die bezaubernde Melodie. Eigentlich eine Ode auf das Zusammentreffen von Seelenverwandten – aber zugleich eine deutliche Ansage an die Hüften, die in einem Trance-Zustand kulminiert.
„Les Revenants“ – nimmt „die Perspektive von Leuten ein, die das Richtige denken, das Richtige fühlen und überhaupt richtig gut reinpassen.“ Eine zurückhaltende und zärtliche Ballade, wobei das Schlagzeug und die Gitarre das geneigte Ohr auf komplettes Neuland entführen. Ein sehr sinnlicher und mysteriöser Song, der bisweilen an Tom Waits erinnert.
„Junior Suite“ (Musik von Alain Chamfort, Text von Didier Golemanas) – handelt von der Einsamkeit. Vom Gefühl, die Orientierung zu verlieren, und erzählt die Geschichte von „jemandem, der sich sehr einsam fühlt und nicht länger mit Gewissheit sagen kann, wer er/sie eigentlich ist. Diese Person will so nicht mehr weitermachen, sie will dem ein Ende setzen. Letztlich war es Albin de la Simone, der diesem Song seine unglaubliche Energie gegeben hat.“
Klavier und Stimme. Der Anbruch eines weiteren Tages, ebenfalls noch unbeschrieben, da, um gefüllt zu werden. Am Horizont: weder große Versprechen noch ein Verhängnis. Vanessa trifft genau ins Herz. Dany Elfman ist nie allzu weit entfernt.
„L’Incendie“ – ein Liebeslied. Eine simple kleine Melodie, wobei die erklingenden Noten nacheinander immer heller aufleuchten, immer stärker aufflackern, bis eine lodernde Flamme entsteht und zu...
„Irrésistiblement“ überleitet (Musik von Matthieu, Text von Brigitte Fontaine), der Geschichte eines Mädchens, das sehnsüchtig auf die Wiederkehr ihres Liebhabers wartet... das Warten, das Verlangen, die Aufregung...
„La Bataille“ – zeichnet sich trotz vereinzelten traurigeren Untertönen insgesamt durch ein unglaublich zügiges und fast schon aufgebrachtes Tempo aus. „Ich bin sehr, sehr stolz auf diesen Song“, so der Kommentar von Vanessa. „Es ist mein erster Song mit einem derartigen Tempo. So schnell war ich noch nie.“
„La Mélodie“ – ist der erste Song, den Vanessa Matthieu gezeigt hat; und wer hätte das gedacht: Ein Reggae-Beat! Den Text steuerte Franck Monnet bei. Ein sehr eindringlicher Reggae-Vibe, mit etwas schrägen Keyboard-Parts. Eine ausgefallene Erinnerungsstütze, die einem noch einmal ins Gedächtnis ruft, dass dieses ausgefallene Album in einer außergewöhnlich langen Zeit herangereift ist. Anderthalb Jahre. 18 Monate. Die ganzen unterschiedlichen Phasen, die Zeiten der Freude(n)... dann eine Pause, einfach die Gitarren irgendwo ablegen, endlose Gespräche, aufnehmen, wieder anhören. Kleine Versatzstücke; Scheibchen, vom Leben abgeschnitten. Vom wirklichen Leben.
„Jackadi“ – „Den Song haben wir im Sommer aufgenommen, ganz weit draußen auf dem Land, und ohne Schuhe. Matthieu spielt Gitarre, Patrice übernimmt den Hintergrundgesang... Eine Version haben wir um drei Uhr morgens aufgenommen. Ein einziger Live-Take war das. Eigentlich nur ein erster Versuch, aber letztendlich haben wir genau die Version dann behalten – eine Version, ein Mikro! Vincent Segal hat später im Studio noch einen Cello-Part eingespielt; dann war wirklich alles perfekt!“ Ein Song wie eine Gutenachtgeschichte.
Die familiäre Atmosphäre und das künstlerische Zusammengehörigkeitsgefühl bescherten Vanessa immer neue Inspirationen. Die Ideen sprudelten unaufhörlich. Auch wenn Unschuld und aufreizende Anmut seit eh und je die Markenzeichen von Vanessas Musik sind: Mit Divinidylle, ihrem neuen Album, signalisiert sie in erster Linie ihre stolze Rückkehr zu kraftvollem und energetischem Pop.
Divinidylle
Title
01 Divine Idylle
02 Chet Baker
03 Les piles
04 Dès que j'te vois
05 Les revenants
06 Junior Suite
07 L'incendie
08 Irrésistiblement
09 La bataille
10 La mélodie
11 Jackadi
12 Emmenez-moi
Genre: Variété française
Bitrate: 320 kBit/s
Year: 2007
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