Köln zum Dritten:
Claire Oelkers + Locas In Love = Karpatenhund
Okay, Lust auf ein kleines Saduko-Spielchen oder wie das heißt? Gerne. Die Frage für heute: Wie sollen wir die Musik dieser neuen Band verstehen? Was wollen Karpatenhund von uns? Und wenn ja, wie haben sie das eigentlich gemacht?
Fürs Erste mal drei möglich Antworten – sind Karpatenhund und ihre Songs etwa...
a) eine gewaltige Misch-Melange aus Schmerz und Glückseligkeit, aus Power und schöner menschlicher Schwäche, aus aufrichtigem Gefühl und dem Schmetterlingsschlag der Poesie, der die grauen Wolken zerteilt wie die Rotorblätter eines lustigen Helikopters?
b) ein gewitzter Schrägflug über die Popmusik der letzten 20 Jahre, gesteuert von fünf schlauen jungen Leuten, die schon genug Musik gemacht haben, um alle Anfängerfehler hinter sich zu haben, mit 40 Wochenstunden MTV, einer magenfüllenden Plattensammlung und 20 MP3-Blogs in der Hinterhand, um das Business mal kurz von hinten zu kielholen?
c) ein vom Himmel gefallenes Pop-Phänomen, Verzeihung: P!O!P!-Phänomen, das uns dieses wundervolle, wangenerhitzte, verloren geglaubte Gefühl aus der Kindheit zurückbringt, als wir zum ersten Mal Musik gehört und bei jedem Schrumm der Gitarre gejauchzt haben, weil er uns so verdatternd neu und doch so zwingend logisch vorkam?
Wenn wir schon so fragen, kann es nur eine altkluge Antwort geben: Ja, alle drei Erklärungen sind richtig, Karpatenhund sind alle drei Möglichkeiten, alle gleichzeitig. Man darf keine weglassen, sonst stimmt es nicht mehr. Was natürlich daran liegt, dass Rock’n’Roll, Band-Sein, Gitarren-Pop mit deutschen, englischen oder meinetwegen auch mauretanischen Texten im Jahr 2006 das Stadium der ewigen Unschuld längst verlassen hat. Und dass bei Karpatenhund einfach nur zum Spaß ein bisschen Musik gemacht wird – so einen Mist brauchen wir sowieso keinem mehr zu erzählen.
Wenn das Licht angeht, dann sind Karpatenhund Claire Oelkers (Gesang), Stefanie Schrank (Bass, Synthesizer, Gesang), Björn Sonnenberg (Gitarre, Gesang), Jan Niklas Jansen (Gitarre) und Mauri Arca (Schlagzeug), fünf Freunde und Komplizen, Mitte 20, die zur gleichen Zeit an den zweifelsfrei richtigen Orten im Stadtgebiet Köln waren und deshalb seit Sommer 2004 eine Band sind. Also kein Projekt, das sich erst mal ins sichere Internet gestellt hätte – eine Band, wie gesagt, die nicht etwa darauf gewartet hat, entdeckt zu werden. Eine Band, die sich selbst entdeckt hat und dann losgerannt ist, um den Leuten die Entdeckung zu zeigen. Viele, die die ersten Auftritte sahen, glaubten trotzdem, Karpatenhund seien schon Stars.
Früher war es ja furchtbar einfach, die glamourös-verspielten von den hautnah-ehrlichen Bands zu unterscheiden (die einen trugen Anzüge, die anderen T-Shirts). Im Fall von Karpatenhund geht das schon deshalb nicht mehr, weil hedonistisches Klimpern und blauäugiges Blinzeln in ihrer Musik mit ein- und demselben Augenaufschlag kommen. Weil diese Band und ihr Album „#3“ immer auch von all dem handeln, was sie nicht sind. Konkret: Weil Claire in einem Love-Song wie „Zusammen verschwinden“ auch immer schon vom Schlussmachen und Vergessen singt. Weil das berühmte Suchen und Finden der Liebe, das ja heute angeblich so sehr von den Soap Operas im Fernsehen geprägt wird, in „Szene 1“ schön zurück in eine Soap Opera verwandelt wird. Weil „Gegen den Rest“ – die erste Single, der erste Hit – ein multipel resoluter Fausthieb gegen alle Bösen und Doofen ist, der aber wie eine Karussell-Fahrt mit Kaugummikauen, Pop-Brause und allem drum und dran klingt. Und weil Karpatenhund tatsächlich ein Liebeslied gemacht haben, in dem die Sängerin sagt, dass sie sich eigentlich nicht mehr verlieben wollte.
Man kennt einige der Gesichter auch von der großartigen Band Locas In Love. Man hat Claire schon als Schauspielerin gesehen. Und wer jetzt „#3“ hört, das erste Karpatenhund-Album nach der im November 2006 erschienenen EP, kann später immerhin behaupten, er sei vom Start weg dabei gewesen. Produziert in den Kölner Maarweg-Studios (wo Fehlfarben „Monarchie und Alltag“ machten) und in der Black Box in Frankreich. Musikalische Einflüsse? Nun ja, sie sind extrem von Gesang, Gitarre, Bass, Schlagzeug und Synthesizer beeinflusst. Von dem, was zurückbleibt, wenn man sich im Freibad und auf Autobahnfahrten unterhält und dabei ein gutes Radio laufen lässt. Von den Platten, die Freunde sich gegenseitig weiterempfehlen. Wahrscheinlich von Ramones, Lemonheads, Fugazi, den Shangri-Las, Duran Duran, den Beach Boys, Tocotronic, den Pixies, Blondie, aber diese Bands haben sich ja selbst schon gegenseitig beeinflusst. Im Prinzip ist es die eine, ewig große Rock’n’Roll-Stilform, in die jeder Karpatenhund-Song hineinexplodiert, mit einem scharf gezackten Explosions-Stern, wie man ihn in Comics und auf Warnschildern sieht: die Teenager-Hymne. Der Drei-Minuten-Kick-Crash, der nicht deshalb Teenager-Hymne heißt, weil er nur für Teenager wäre, sondern weil er die Leute zu Teenagern macht, die ihn abbekommen. Dass in der Musik von Karpatenhund gerade der Verlust des jungen Glücks, die Politik der Liebe, die Vertreibung aus dem Eiscreme-Paradies ständig so präsent ist, macht die Sache nur noch viel, viel besser. Es wäre so naheliegend, jetzt noch neckisch aus dem Song zu zitieren: „Keiner kriegt uns auseinander, wir sind schon viel zu weit gegangen, ich glaub noch immer daran und bin überzeugt davon – gegen den Rest!“ Aber wer würde wagen, sich ihnen in den Weg zu stellen?
Ab jetzt bestimmen Karpatenhund, wie lange drei Minuten dauern.
Quelle: www.hurricane.de
Karpatenhund No. 3
Title
01 Ist es das was du woltest
02 Zusammen verschwinden
03 Gegen den Rest
04 Nicht wirklich glücklich
05 Ich will dass du bleibst
06 Tag der nicht vergeht
07 Szene 1
08 Kein Wort mehr
09 Eigentlich wollte ich mich nicht mehr verlieben
10 Stunts
11 Für immer
12 Oh ja
Genre: Pop
Bitrate: 219 kBit/s (VBR)
Year: 2007
Bather at Deauville by Kees van Dongen
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Cornelis Theodorus Maria "Kees" van Dongen (26 January 1877 – 28 May 1968)
was a Dutch-French painter who was one of the leading Fauves ("Wild men" =
th...
vor 3 Stunden
3 Kommentare:
Tolle Band! Ich hab mir im Sommer nach einem Konzert von ihnen spontan die Scheibe gekauft. Einige Musik ist eigentlich viel zu schade um sie kostenlos ins Volk zu streuen.....
alles für alle - und zwar umsonst!
geile musik.
1.entdecken
2.ziehen
3.toll finden = kaufen
4.nicht toll = nicht kaufen
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